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Rubrik: News
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Publiziert: 24.03.2006 06:00

Eine Tagung zu Symbolisierung und Intersubjektivität
Zeichenrede

(nst) Wer sich mitteilt, verwendet Zeichen. Zwar liegen Welten zwischen dem wuchtig gesetzten Verbotsschild und dem kaum erkennbaren Gestus in der Mimik eines Menschen – aber beides sind Prozesse der Symbolisierung, die als grundlegendes Verfahren des menschlichen Erfahrungsaustauschs betrachtet werden kann. Die heute und morgen an der ETH stattfindende Tagung „Symbolisierung und Intersubjektivität in Psychoanalyse und Philosophie“ (1) beleuchtet den Umgang mit Zeichen und ihren Funktionen in verschiedenen kulturwissenschaftlichen Zusammenhängen. Organisatoren sind das Psychoanalytische Seminar Zürich und die ETH-Professur für Philosophie im Zentrum für Geschichte des Wissens.

Bewusste Zeichen: Spitze des Eisbergs

Dass auch das Unbewusste als Motor und Sender von Symbolen fungieren kann, hat sich erst mit Sigmund Freuds Psychoanalyse in Kultur und Gesellschaft breit durchgesetzt. Absichtlich gegebene Zeichen wurden von der Psychoanalyse von Anfang an als die Spitze eines Eisbergs identifiziert, unter dem sich ein Komplex unbewusster Symbolisierungen verbirgt. Ebenfalls mit Freuds epochalem Ansatz und mit seiner Anwendung in der Therapie wurden diese Zeichengebungsprozesse erstmals als Kommunikationsprozesse zwischen Menschen gedacht. „Auch die Alltagserfahrung zeigt, dass Menschen einander Zeichen geben, ohne es zu wissen“, sagt Michael Hampe, ETH-Professor für Philosophie. „Die Tatsache, dass einem ein Mensch sympathisch ist und ein anderer nicht, dass einem eine Gruppe inspirierend, eine andere unheimlich erscheint und man nicht sagen könnte warum, muss auf ein unbewusstes Geben und Deuten von Zeichen zurückgehen.“


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Doch seit die Psychoanalyse auf den Plan trat, habe sich die Philosophie schwer mit unbewussten Symbolisierungen getan, so Hampe. Denn ihr zufolge sind menschliche Zeichenbildungen ausschliesslich bewusste Prozesse ohne Anschluss an unbewusste Symptome, Spuren, Warnsignale, wie sie im Tierreich auftreten. Das mache sie für die Philosophie zu etwas Ausser- oder Übernatürlichem.

Lebenserfahrung integrieren

„Diese Haltung hat zu einem tiefen Graben zwischen Psychoanalyse und etablierter Schulphilosophie geführt“, so der Philosoph weiter. Und es sei letztere, der dies nicht gut bekommen sei. „Die Philosophie hat ein Problem damit, dass die psychoanalytische Behandlungsmethode zu Erfahrungen führt, die weder Alltagserfahrungen sind noch Laborerfahrungen, die dem Gebot der Reproduzierbarkeit gehorchen.“ Diese Geringschätzung des psychoanalytischen Zeichensystems führe zu fatalen Simplifizierungen, und es sei deshalb wenig erstaunlich, dass die universitäre Philosophie für die Entwicklung der Wissenschaften wie der menschlichen Lebenswelten zunehmend irrelevant werde. Um diesen Prozess umzukehren, sollte die Philosophie wieder vermehrt die Leid- und Lebenserfahrung der Menschen in ihr Denken integrieren, findet Michael Hampe – so wie es die antike Philosophie bis zur Verdrängung durch die christliche Religion getan hatte. „Eine Öffnung zur therapeutischen Erfahrung der Psychoanalyse böte der Philosophie die Chance, wieder mehr Bedeutung für das menschliche Leben zu erlangen.“


Literaturhinweise:
Website Zentrum Geschichte des Wissens: www.zgw.ethz.ch/

Fussnoten:
(1) Informationen zur Tagung „Symbolisierung und Intersubjektivität in Psychoanalyse und Philosophie“ finden Sie unter: www.zgw.ethz.ch/pdf/051220_flyer_psychoanalyse.pdf



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