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Rubrik: Science Life |
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ETH-Studie über die Gewichtszunahme von Schweizer Kindern Immer mehr dicke Kinder |
Eine Studie des ETH-Labors für Humanernährung zeigt: Immer mehr Schweizer Primarschüler sind zu dick. Studienleiter Michael Zimmermann fordert in seiner neusten Publikation mehr Prävention durch Sport und gesunde Ernährung. Gestern Abend berichtete die TV-Sendung MTW (1) im Schweizer Fernsehen SF1 über die Studie. "ETH Life" gibt Tipps für schlanke Kids. "Übergewicht und Fettleibigkeit haben bei Schweizer Kindern massiv zugenommen", berichtet Michael Zimmermann, Oberassistent am ETH-Labor für Humanernährung in Rüschlikon, in seiner neusten Publikation. (2) Diese Erkenntnise basieren auf einer vor zwei Jahren mit 2431 Kindern aus 60 Gemeinden quer durch die Schweiz durchgeführten Gewichts-Studie des ETH-Labors für Humanernährung. Fettleibigkeit im Kindesalter sei verantwortlich für drastische gesundheitliche und soziale Folgen und stelle darum für das Schweizer Gesundheitssystem eine schwerwiegende Belastung dar. Dicke Kinder haben als Erwachsene ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes (Zuckerkrankheit) und Atemwegserkrankungen. Jedes 5. Kind ist zu dick Die Zahlen der Studie zeigen, dass in der Schweiz jedes fünfte Kind übergewichtig ist. Fettleibig ist nach Internationalen Standards jedes 25-igste Schweizer Kind, nach den strengeren amerikanischen Standards aber schon jedes 17. Schweizer Mädchen und jeder 13. Schweizer Knabe im Primarschulalter (6- bis 12-jährig). Im Vergleich mit ähnlichen Studien vor 20 und 40 Jahren bedeutet dies, dass sich der Anteil an Übergewichtigen unter den Schweizer Kindern in 20 Jahren verdreifacht hat. Bei den Fettleibigen ist sogar eine Versechsfachung festzustellen. Auch wenn bereits diese Zunahme alarmierend erscheint, so dürfte der Anteil an Fettleibigen noch höher liegen, denn: Trotz der auf den ersten Blick hoch erscheinenden Teilnehmerquote von 76,4% berichteten Lehrer mehrerer Schulen, dass insbesondere fettleibige Kinder nicht an der (freiwilligen) Studie teilnahmen, da sie sich nicht vor der Klasse ausziehen mochten. Die Schätzungen der ETH-Studien könnten daher eher den unteren Bereich der wahren Problematik aufzeigen. Schlankere Ostschweizer Obwohl die Basler und Berner Kinder etwas übergewichiger sind als die Zürcher und Ostschweizer, ergaben sich in der Gesamtauswertung weder geografisch, noch demografisch, noch zwischen den Geschlechtern signifikante Unterschiede. Auch im internationalen Vergleich wurden in Frankreich und England ähnlich alarmierende Zunahmen übergewichtiger Kinder festgestellt. Schlimmer ist die Situation in Italien, Deutschland, Ungarn und den USA, wo mittlerweile bereits jedes vierte Kind übergewichtig und jedes achte fettleibig ist.
Ursachen: Junk-Food & TV Dass gerade in den USA der Anteil an fettleibigen Kindern am höchsten ist, verwundert kaum, denn der „American way of life“ vereinigt gleich mehrere Ursachen für Übergewicht. Die Übeltäter heissen: fettreicher „Junk-Food“ in überdimensionierten Portionierungen und Süssgetränke bei gleichzeitig minimaler Bewegung dank Auto, „Drive-in-Gesellschaft“ und hohem Fernsehkonsum.
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Zuwenig Bewegung Im modernen Leben westlicher Wohlstandsgesellschaften sind kalorienreiche Zwischenverpflegungen meist günstiger und einfacher zugänglich als frisches Obst oder Gemüse. Zudem erleichtern Rolltreppen, Aufzüge, Autos aber auch die neuen Kommunikationstechnologien per E-Commerce die tägliche Mobilität und verringern die notwendige Körperbewegung auf ein Minimum. Wo früher mühsames Marschieren oder Hantieren angesagt war, genügt heute ein einfacher Knopfdruck oder ein Mausklick. Fett-Steuer oder Sport-Zwang Übergewicht und Fettleibigkeit belasten unser Gesundheitssystem. Hypothetische Gegenmassnahmen wären ein Abbau von Rolltreppen und Aufzügen. Doch diese werden von alten und gehbehinderten Menschen benötigt. Denkbar wäre auch - analog etwa der Tabak-Steuer gegen das Rauchen - eine Straf- oder Abschreckungs-Steuer auf fettreiche Nahrungsmittel wie Junk-Food oder auf Süssgetränke einzuführen. Zudem sollte der zunehmende Konsum von TV und Computerspielen durch attraktive Sportangeboten ersetzt werden. Prävention ist wichtig Doch solche gesellschaftlichen Unsitten lassen sich auch mit Gesetzen kaum ändern. Erfolgsversprechender scheinen individuelle Massnahmen im Alltag. Beispielsweise unterstützen Organisationen wie die Schweizerische Adipositas-Stiftung (3) oder Spezialprojekte wie der „Club Minu“ (4) des Migros Kulturprozent übergewichtige Kinder dabei, ihr eigenes Ernährungs-, und Bewegungs- und Freizeitverhalten besser in den Griff zu bekommen.
Hungern schadet Skeptisch ist Studienleiter Zimmermann allerdings gegenüber dem Auslassen von Mahlzeiten, wie etwa beim „Dinner cancelling“. Gemäss Studien würden bei Kindern wiederkehrende Gewichtsschwankungen und kalorienarme Diäten das Risiko für Übergewicht erhöhen. Erklärbar ist dies mit dem „Heisshunger“ nach einer ausgelassenen Mahlzeit oder mit der Anpassung des Stoffwechsels an eine Notsituation, in der möglichst viel Depotfett gebildet wird. Zudem kann das Auslassen von Mahlzeiten bei stark wachsenden Kindern die Wachstumsrate verringern oder die Pubertät verzögern. Auch Medikamente oder operative Eingriffe wie Magenverkleinerung sieht Zimmermann nur als letztes Mittel. Die Schlussfolgerung der ETH-Studie lautet daher: Der Schwerpunkt bei der Bekämpfung von Übergewicht sollte auf die Prävention gelegt werden, und hier insbesondere auf eine gesunde Ernährungs-Erziehung und genügend Bewegung, beispielsweise durch Sport. |
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