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Rubrik: Science Life Hinweise auf Rinderwahnsinn als Ursache für sporadische Creutzfeld-Jakob Erkrankungen BSE-Gefahr für den Menschen unterschätzt? |
Published: 06.12.2002 06:00 Modified: 09.12.2002 12:01 |
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Der Konsum von mit BSE-Erregern belastetem Fleisch könnte möglicherweise nicht nur für die neue Variante der Creutzfeld-Jakob Erkrankungen verantwortlich sein, sondern auch für die sporadische Form davon, deren Ursache bis anhin unklar war. Zürcher Experten äussern sich zu dieser beunruhigenden Hypothese, die auf einer englischen Mäusestudie basiert. Von Jakob Lindenmeyer und Christoph Meier 1996 wurde erstmals eine neue Variante der beim Menschen vorkommenden sporadischen Form der Creutzfeldt-Jakob Erkrankung (vCJD) beschrieben. Die Ursache für die Krankheit sehen die meisten Experten in einer Infektion mit Rinderwahnsinn (BSE). Obwohl die Schweiz die höchste Rate an BSE-Rindern in Kontinentaleuropa aufweist, schien die Tierseuche hierzulande noch keine Menschen gefährdet zu haben. Ist Rinderwahnsinn die Ursache?Das einzige, was festgestellt wurde, war eine Zunahme der sporadischen Form der Creutzfeldt-Jakob Erkrankung (sCJD), deren Ursache unklar ist. Sie stieg von 10 Fällen im Jahr 1995 auf einen Spitzenwert von 19 im Jahr 2001. In England nahm die Zahl der Patienten mit sCJD in dieser Zeitspanne ebenfalls zu, von 35 auf 53. Gleichzeitig verzeichnete man dort aber auch eine Vervielfachung der vCJD-Fälle von 3 auf 20. Eine neue Mäusestudie aus England liefert nun molekulare Evidenz dafür, dass BSE eventuell nicht nur die Ursache für die vCJD- sondern auch für die sCJD-Fälle sein könnte.
Aufgrund der englischen Studie befürchtet der ETH-Biochemiker Alex Räber: "Gewisse Fälle der sporadischen Creutzfeldt-Jakob Krankheit könnten durch den Verzehr von BSE-infiziertem Rindfleisch ausgelöst worden sein." Er vermutet: "Vielleicht ist die sporadische Form der Creutzfeldt-Jakob Krankheit sogar generell und schon seit längerer Zeit eine menschliche Form von BSE." Räber ist einer, der es wissen muss: Nach Studium und Dissertation an der ETH arbeitete er in den Labors der grossen Prionenforscher: Bei Stanley Prusiner, Charles Weissmann und Adriano Aguzzi. Heute ist Räber Forschungsleiter der Spin-Off Firma "Prionics", die sich auf Prionenkrankheiten spezialisiert hat und bei den BSE-Schnelltests sogar die Weltspitze anführt.
Die Hypothesen der Londoner Mäusestudie seien zwar beunruhigend, doch Räber macht darauf aufmerksam, dass Mäusedaten nicht einfach 1:1 auf den Menschen übertragen werden können. Eigentlich werfe die Studie mehr Fragen auf, als sie beantworte. "Trotzdem handelt es sich um eine hochspannende Arbeit, die schon lange fällig war. "Denn das Londoner Team arbeite schon länger an diesem Experiment, weiss Räber, und er fordert aufgrund der Studienresultate: "Jetzt müssen die bisherigen Creutzfeldt-Jakob Fälle genauer überprüft werden." Grund für Panik sieht Räber jedoch nicht: "Ich esse weiterhin Rindfleisch", antwortet er auf die klassische Konsumentenfrage, "allerdings nur aus kontrollierter Haltung und BSE-getestet." Blut muss sicherer werdenHandlungsbedarf sieht Räber primär im Bereich der Blutpräparate, die bis heute noch nicht getestet werden können. "Ein Blut-Test wäre darum dringend nötig, genauso wie ein Lebend-Test auf BSE, um lebende Tiere auf Rinderwahnsinn zu überprüfen", erklärt Räber. Dies sind denn auch die Hauptforschungsgebiete der Prionics AG. Die Grundlagen zu einem solchen Bluttest und zu einer möglichen Impfung oder Therapie wurden unter anderem auch durch ein Team am Zürcher Unispital entdeckt (ETH Life berichtete (2) ). Keine eindeutigen BeweiseImmer wieder haben die ETH-Forschungsgruppen der Professoren Rudi Glockshuber und Kurt Wüthrich vom Institut für Molekularbiologie und Biophysik mit neuen Strukturerkenntnissen über die gesunde Form des Prionproteins brilliert. Der Molekularbiologe Rudi Glockshuber ist auf die Faltung und Stabilität von Prionproteinen sowie deren Umwandlung in die bösartige Form spezialisiert. Trotz der Tatsache, dass die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob Krankheit (vCJD) beim Menschen durch Infektion mit dem BSE Erreger entsteht, steht Glockshuber der neuen Hypothese, dass auch die sporadische Form durch Kontakt mit BSE ausgelöst wird, vorläufig skeptisch gegenüber: "Dafür gibt es auch mit den neuen Modellstudien an transgenen Mäusen, die das menschliche Prionprotein produzieren, keine eindeutigen Beweise". Mehr Kranke in England erwartetAus der Sicht der Strukturbiologie liesse sich der Verdacht, die Zunahme der sCJD-Krankheitsfälle sei durch BSE-infiziertes Rindfleisch verursacht, ebenfalls nicht eindeutig beurteilen. Am Institut für Molekularbiologie und Biophysik wurde zwar die grosse strukturelle Ähnlichkeit zwischen dem Prionprotein des Menschen und des Rinds aufgeklärt (siehe Bild links und (3) ), doch Glockshuber meint: "Da vorläufig nur strukturelle Ähnlichkeiten und Unterschiede der gutartigen Formen der Prionproteine bekannt sind, sind noch keine eindeutigen Aussagen zu Unterschieden in der Speziesbarriere von BSE zu vCJD bzw. sCJD des Menschen möglich." Denn es sei immer noch unklar, welche dreidimensionalen Teilstrukturen bei der Umwandlung in die bösartige Form des Prionproteins sich veränderten und wie die dreidimensionale Anordnung der bösartigen Form des Prionproteins aussieht. Doch in einem kürzlichen Interview mit "ETH Life" (4) äusserte Nobelpreisträger Wüthrich die Hoffnung, dass dank einiger Tricks auch die Aufklärung der 3-D-Struktur des bösartigen Prionproteins technisch möglich wird. Glockshuber erklärt seine Skepsis an der neuen Vermutung über die Ursache für die sCJD-Fälle auch durch den Vergleich der Creutzfeldt-Jakob Krankheitsfälle in England und in der Schweiz. "Obwohl in England wahrscheinlich rund 800'000 BSE-infizierte Rinder verzehrt wurden, ist der prozentuale Anstieg an sCJD-Fällen in England nicht höher" (siehe Anfang des Berichts). Wäre BSE eine der Hauptursachen für die Zunahme an sCJD-Krankheitsfällen, so müsste man für England eigentlich eine wesentlich stärkere Zunahme erwarten. Footnotes:
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