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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 03.11.2004 06:00

„Luftschloss“-Gewinner besuchen Bauplatz
Augenschein in Afghanistan

Die Gewinner des Jubiläumswettbewerbs „Luftschloss“ der Baudepartemente besichtigten diesen Herbst den Bauplatz im afghanischen Bamiyan. Aufgrund der Situation und der Gespräche am Ort erarbeiten sie einen neuen Entwurf, wobei die Grundidee eines Begegnungszentrums beibehalten wird.

Von Christoph Meier

Eines ist weiterhin klar: Das Begegnungszentrum in Afghanistan soll gebaut werden. Sonst hat sich aber fast alles geändert beim Projekt, das unter dem Namen „polynational“ den Wettbewerb der Baudepartemente zum Jubiläum 150 Jahre ETH gewonnen hat . (1) Grund für die Änderungen sind einerseits die politischen Bedingungen, andererseits eine Reise nach Afghanistan von Ivica Brnic und Wolfgang Rossbauer, die zusammen mit Florian Graf das Projektteam bilden .(2)

Die beiden ETH-Studenten der Architektur reisten im September unter anderem zusammen mit Albert A. Stahel von der Militärakademie an der ETH nach Afghanistan.(3) Bereits am Tag ihrer Ankunft in Kabul trafen sie mit dem Hochschulminister Sharif Fayez zusammen. Dieser sicherte seine Unterstützung zu und versprach, dass das Projekt ins afghanische Universitätssystem eingegliedert werden soll.

Sind zuversichtlich, dass sie ihre neuen Pläne in Afghanistan verwirklichen können: die ETH-Studenten Florian Graf, Ivica Brnic und Wolfgang Rossbauer. gross

Bauplatz gleich bei der Uni

Am nächsten Tage fuhr die Reisegruppe in sechs Stunden auf einer nach hiesigem Standard abenteuerlichen Strasse nach dem150 Kilometer entfernten Bamiyan, dem Hauptziel der Reise. Hier am Fusse der Felsen, wo die von den Taliban zerstörten Buddhastatuen herausgemeisselt worden waren, standen dann schon die nächsten Treffen auf dem Programm. Einerseits empfingen Professoren und Studierende der Universität am Ort die Schweizer Gäste, andererseits der Gouverneur von Bamyian. Wiederum versprachen die sehr gastfreundlichen Afghanen ihren Support und bestätigten auch die Grundstückzuteilung. Danach kam es zu einer geführten Besichtigung der Universität und des daneben gelegenen, rund 5000 Quadratmeter grossen Bauplatzes. Dessen ausführliche Erkundung folgte tags darauf.

Die Universität Bamyian entpuppte sich als ein Minicampus aus drei Gebäuden für die Verwaltung und den Unterricht. Diese enthalten unter anderem eine bescheidene Bibliothek sowie einen Informatikraum mit einem Dutzend Rechner. Das Lehrangebot der Hochschule mit Kreditpunktesystem umfasst Agrarwissenschaften und Pädagogik. Die ETH-Studenten stellten fest, dass die erst im Jahre 2003 wieder aufgebaute Universität sich in einem guten Zustand befindet.


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In Sichtweite des berühmten Felsens mit den zerstörten Buddhastatuen sollen die ETH-Studenten bauen können. (Bild: Brnic-Graf-Rossbauer) gross

Landwirtschaftslabor erwünscht

Bei weiteren Gesprächen mit einheimischen Studierenden, brachten diese ihre Wünsche für das Neubauprojekt vor. Dabei kam zur Sprache, dass neben dem geplanten Internetraum vor allem ein Landwirtschaftslabor erwünscht wäre. Zudem äusserten einige afghanische Hochschüler ihr Interesse an einem Gastsemester in der Schweiz. Immer wieder habe man dabei gespürt, wie die Afghanen nicht nur am Bauprojekt interessiert seien, sondern auch an einem Wissensaustausch mit der ETH, erläutert Wolfgang Rossbauer.

Im weiteren Verlauf der Reise traf die Schweizer Reisegruppe nochmals den Gouverneur von Bamiyan, einen Vertreter des Deza und in Kabul sogar den Vizepräsidenten des Landes, Karim Khalili, der wie die meisten Bewohner Bamiyans der Bevölkerungsgruppe der Hazara gehört. Insgesamt zeigte sich, dass das Projekt auf breite Unterstützung zählen darf.

Kein Turmbau zu Bamiyan

Doch trotz des überall angetroffenen Goodwills erkannten die Architekturstudenten, dass sie ihr Projekt neu aufgleisen müssen. War bereits einige Zeit vor der Abreise klar, dass Bamiyan anstelle des unsicheren Kandahar Bauort würde, führten die neuen lokalen Bedingungen und Wünsche dazu, dass der Entwurf geändert wird. Ein Turm wird dabei nicht mehr in Betracht gezogen, da die Baugesetze nicht mehr als zwei Geschosse zulassen.

Ihr Begegnungszentrum dürfe auf alle Fälle nicht als Implantat wirken, meint Brnic, sondern soll seiner Bestimmung entsprechend auch als Bau integrativ wirken. Sein Kollege Florian Graf ergänzt, dass sie als Architekten mit ihrem Gebäude auf die lokale Kulturgeschichte eingehen wollen. Daneben müssten aber auch ganz konkrete Probleme wie die Sicherung des Gebäudes und die Wasseraufbereitung gelöst werden. Beim Material wollen die Planer möglichst viel aus der Gegend beziehen und nur einzelne Komponenten importieren.

Fragt man die Luftschloss-Gewinner nach dem Zeitplan, so hoffen sie Ende Jahr einen neuen Entwurf vorlegen und im Frühling mit Bauen anfangen zu können. Die Chancen haben sich dafür insofern auch etwas verbessert, als die kürzlich erfolgte Volkswahl von Hamid Karzai zum Präsidenten von Afghanistan eine politische Konstanz verspricht, die ein Bauen in der verhältnismässig schon immer friedlichen Region um Bamiyan als realistisch erscheinen lässt.


Fussnoten:
(1) Vgl. „ETH Life“-Bericht zum Wettbewerb „Luftschloss“: „Luftschlösser konkretisieren sich“ www.ethlife.ethz.ch/articles/luftschlossiwsieg.html; „Vom Luftschloss zum konkreten Turm“ www.ethlife.ethz.ch/articles/luftschlabschlwett.html
(2) Architekturteam Brnic-Graf-Rossbauer: www.brnic-graf-rossbauer.com
(3) Vgl. „Reportage aus Afghanistan am Vorabend der Wahlen“. www.unipublic.unizh.ch/magazin/gesellschaft/2004/1362/



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