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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 08.02.2001 06:00

Internationale Tagung "Peace Support Operations"
"Die Schweiz sollte mitmachen"

An zwanzig Brennpunkten der Welt sind derzeit friedenssichernde UNO-Operationen im Gang. Heute und morgen treffen sich an der ETH hochkarätige Experten aus aller Welt, um über "Peace Support Operations" zu diskutieren. Die Konferenz organisiert hat das Zentrum für Internationale Studien (CIS) von ETH und Universität Zürich. Ein Gespräch mit Kurt R. Spillmann, Delegierter des CIS und ETH-Professor für Sicherheitspolitik.

Interview: Norbert Staub

In der Schweiz wird derzeit die Revision des Militärgesetzes kontrovers diskutiert. Bis jetzt ist die Bewaffnung von Einzelpersonen in Krisengebieten zulässig; das neue Gesetz will dies ändern und erlauben, auch schweizerische Verbände militärisch auszurüsten. Wie werten Sie diese Entwicklung?

Ich will Bundesrat Schmid nicht vorgreifen, der am 11. Mai seine sicherheitspolitischen Vorstellungen an der ETH darlegen wird. Aber es ist absehbar, dass sich auch in der Schweiz ein Wandel vollzieht. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat die Zahl der zwischenstaatlichen Kriege abgenommen. Auf der anderen Seite ist die Zahl der innerstaatlichen Konflikte stark gewachsen. Die Zahl der Blauhelm-Operationen hat insbesondere seit der Wende von 1989 massiv zugenommen, es sind heute gut 20. Die Schweiz muss sich mit dem Gedanken anfreunden, dass ihre eigene Sicherheit Teil eines grösseren Ganzen ist. Das erfordert, dass wir aktiv an der Erhaltung dieser Sicherheit teilnehmen.

Blauhelm-Soldaten bei Ankunft im Krisengebiet
Die aktuellen Konfliktstrukturen machen internationales Krisenmanagement immer notwendiger: Blauhelm-Soldaten bei der Ankunft im Krisengebiet. gross

Wäre es nicht politisch ratsam, zuerst den institutionellen Rahmen zu klären, das heisst den Uno-Beitritt zu vollziehen, bevor man sich militärisch einbinden lässt?

Schon, aber ich gehe davon aus, dass die Schweiz bei einer nächsten Abstimmung über den Beitritt zur UNO ja sagen wird. Die Zeit der mehrheitlich kompletten Ablehnung jeder internationalen Zusammenarbeit auf politischem Gebiet ist vorbei. Die Schweiz denkt international mit, ich erinnere an das IKRK, an das Weltwirtschaftsforum - ich sehe nicht ein, warum sie nicht alle Wege nutzen soll, sich an der Erhaltung und Förderung des Friedens auf dieser Welt zu beteiligen.

In Kosovo hat die Nato das militärische Heft in der Hand; die UNO kümmert sich um die zivile Kontrolle. Sehen Sie darin ein Problem?

Nun, die Welt macht langsam Fortschritte. Der Begriff des "miles protecor", den Gustav Däniker vor zehn Jahren geprägt hat, beginnt sich erst langsam umzusetzen. Mit anderen Worten: Soldaten müssen heute auch anderes können, als ihre Waffenwirkung auf irgend ein Ziel zu richten. Sie müssen zum Beispiel ruhig und abgeklärt bleiben, wenn Menschen wie etwa in Mitrovica gegeneinander vorgehen. Das ist extrem anspruchsvoll. In diesem Zusammenhang sind auch die Anstrengungen hier an der ETH zu sehen: Wir arbeiten permament an der Verbesserung des Curriculums der Schweizer Berufsoffiziere, um sie auch auf solche Aufgaben vorzubereiten.


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Kurt R. Spillmann, Prof. f|r Sicherheitspolitik
"Es gibt keine 'hygienischen' Blauhelm-Einsätze" - Kurt R. Spillmann, Professor für Sicherheitspolitik.

Der Brahimi-Report der UNO kommt zu einem zwiespältigen Schluss, was die Bilanz von UNO-Missionen in den vergangenen zehn Jahren anbelangt. Manche Operation ist gescheitert. Gibt es Wege, einen besseren Erfolg von Blauhelm-Operationen zu gewährleisten?

Die Wirkung einer Aktion hängt von einem starken Mandat des UNO-Sicherheitsrates ab. Ein solches ist nur möglich, wenn vor allem die vetoberechtigten Mitglieder am selben Strick ziehen. Das war im Fall Kosovo nicht gegeben, da gab es die Vetodrohung Russlands und Chinas. Sicher, die UNO muss mehr Kompetenzen haben, aber jede internationale Organisation ist nur so stark wie der Wille ihrer Mitglieder zur Mitarbeit. George Bush ist 1991 für sein Postulat einer "Neuen Weltordnung" nach dem Kalten Krieg eher ausgelacht worden. Er forderte ein weltweites Engagement für den Frieden - die Realität ist noch weit davon entfernt. Aber ich denke, es ist die richtige Marschrichtung.

Im Fall Kosovo war festzustellen, dass es vor allem an Mitteln fehlte,um die zivilen UNO-Aufgaben, Polizeiaufgaben etwa, in Konfliktregionen zu erfüllen. Müsste nicht mehr in die zivile Friedensunterstützung investiert werden?

Zweifellos. Man hat in der Öffentlichkeit ein falsches Bild von den UNO-Tätigkeiten. Der Grossteil des Budgets geht ja an die nicht-militärischen, auch weniger spektakulären, Operationen. Es geschieht in diesem Bereich sehr viel, aber die Militäroperationen sind notorisch medienwirksamer. 1999 hat die Schweiz etwa 95 Prozent ihrer UNO-Beiträge für Bereiche geleistet, die nichts mit Militär zu tun haben. Das muss meiner Meinung nach noch verstärkt werden, ich denke gerade etwa an die Ausbildung von Polizeikräften, Sozialarbeitern und anderen zivilen Kräften, die die Sicherheit in einem Gebiet fördern.

Wenn einmal die ersten toten Schweizer Blauhelmsoldaten aus Konfliktregionen zurückgebracht werden sollten - wäre das nicht ein Schock, der die Schweizer Bevölkerung von solchen Engagements abschrecken würde?

Davor haben sämtliche an diesen Aktionen beteiligten Nationen Angst. Man erinnert sich an die Fotos mit getöteten Blauhelmsoldaten aus Somalia - das brennt sich ins Bewusstsein ein und führt zum Schluss: Blauhelmaktionen sind etwas Hinterhältiges. Es ist aber falsch zu meinen, Blauhelm-Operationen könnten "hygienisch" durchgeführt werden, ohne dass im Extremfall Menschen ums Leben kommen. Nur: Man versucht durch die Rules of Engagement, deren Respektierung durch die Konfliktpartner gefordert wird, die Gefahren zu minimieren. Insbesondere die Schweiz wird jedes Engagement prüfen und alles dafür tun, in keinerlei Kampfsituationen verwickelt zu werden.


Die heute (ab 10.30 Uhr) und morgen im Auditorium maximum der ETH stattfindende Konferenz versammelt unter anderen Bernard Kouchner, den ehemaligen Chef der UNO-Verwaltung in Kosovo, Klaus Reinhardt, den NATO-Oberkommandierenden in Kosovo, Leonidas Evangelidis, Generaldirektor der Sicherheits- und Aussenpolitik der EU und Jakob Kellenberger, Chef des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK).




Literaturhinweise:
Einzelheiten zum Brahimi-Bericht der UNO zu den friedenssichernden Operationen finden Sie unter www.un.org/peace/reports/peace_operations/
Details zur Konferenz finden Sie unter www.cis.ethz.ch/



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