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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 25.02.2004 06:00

Zur Bedeutung der Arbeit von Hans Ulrich Dütsch
Wissenschaftler der Atmosphäre

Ende letzten Jahres starb Hans Ulrich Dütsch, früherer ETH-Professor und langjähriger Leiter des damaligen Laboratoriums für Atmosphärenpyhsik im Alter von 86 Jahren. In einem Gespräch mit ETH-Professor Johannes Stähelin würdigt ETH Life das Wirken des vielseitigen Wissenschaftlers.

Von Christoph Meier

Physiker, Meteorologe, Gymnasiallehrer und Wetterfrosch – Hans Ulrich Dütsch war sehr breit interessiert und tätig. Diese Vielfältigkeit veranlasste auch Huw C. Davies, Vorsteher des ETH-Departements Umweltwissenschaften (1), an der Abdankungsfeier des Atmosphärenphysikers diesen als einen „Universalgelehrten“ zu würdigen.

Hervorragender Daten-Interpret

Kann man in einer solchen Biographie eine besonders herausragende Leistung festmachen? Johannes Stähelin, ETH-Professor am Institut für Atmosphäre und Klima, überlegt sich die Frage und gibt folgende Antwort: „Eine entscheidende Leistung von Hans Ulrich Dütsch war, dass sich das Ausmass der anthropogenen Zerstörung des Ozonschildes durch seine sorgfältigen Messungen und Interpretationen besser einstufen liess.“ Bereits in seiner Doktorarbeit von 1946 habe Dütsch gezeigt, dass die von Sidney Chapman 1930 formulierte Theorie zur chemischen Entstehung des Ozons nicht genüge, um den Jahresverlauf der Ozonkonzentration in der in 10 bis 50 Kilometer Höhe gelegenen Stratosphäre zu erklären. Dütsch schloss aus seinen Befunden voraus schauend auf damals noch unbekannte Luftbewegungen in der Stratosphäre. Später wurden dann diese Luftverfrachtungen bestimmt und unter dem Namen Brewer-Dobson-Zirkulation bekannt.

Interesse der US Air Force und Flavio Cottis

„Diese bahnbrechende Arbeit wäre aber ohne Dütschs Doktorvater F.W. Paul Götz nicht möglich gewesen“, meint Stähelin. Götz war es nämlich, der bereits 1926 begonnen hatte, in Arosa das Gesamtozon zu messen. Die Messstation war auch ein Anliegen von Dütsch. Als Götz 1954 starb, erschien die Weiterführung des lichtklimatischen Observatoriums im Bündner Kurort gefährdet. Als Berichterstatter der NZZ lernte Dütsch an einer Tagung den Forschungsdirektor des US-Weather Bureau, Harry Wexler, kennen. Dieser ermunterte den Schweizer, ein Projekt zur Weiterführung des Observatoriums bei der US Air Force einreichen. Die Amerikaner waren interessiert, an verschiedenen Orten der Erde atmosphärische Phänomene zu beobachten, um ihr Radarsystem weiter zu entwickeln. 1956 floss bereits das erste Geld von den USA nach Arosa. Auf Weisung des Bundesrates wurde es aber zurückgewiesen, da eine militärische Finanzierung die schweizerische Neutralität gefährde. Schliesslich zahlten dann die ETH und der Schweizerische Nationalfonds, wobei zwei Messjahre verloren gingen.

Die Messstation in den Bündner Bergen war erneut gefährdet, als Dütsch emeritiert wurde. Zuerst wollte niemand Geld sprechen. Erst als Dütsch einen Brief an den damaligen Bundesrat Flavio Cotti schrieb, wurde die nötige Stelle in Arosa bewilligt. Diese gehört von da an zu MeteoSchweiz und wird wissenschaftlich von der Gruppe von Johannes Stähelin bearbeitet.

Auf der Höhe der Zeit

Da Arosa die weltweit längste Ozonmessreihe aufweist, trug dies nicht nur Entscheidendes bei zur Doktorarbeit von Dütsch, sondern auch bei der Einordnung des Problems der Ozonzerstörung in der Stratosphäre. Es sei dem Atmosphärenphysiker zugute zu halten, so Stähelin, dass er die Arbeiten der späteren Nobelpreisträger Paul J. Crutzen sowie Mario Molina und Sherwood Rowland ernst nahm. Nachdem Crutzen den katalytischen Abbau des Ozons in der Stratosphäre durch Stickstoff aufgeklärt hatte, begann anfangs der siebziger Jahre die Diskussion über die Gefährdung des Ozonschildes durch Überschallflugzeuge. Dütsch wurde damals als Experte von den Amerikanern, die eine neue Flugzeugflotte aufbauen wollten, angefragt. Stähelin erinnert daran, dass in dieser Debatte zum ersten Mal umweltpolitische Aspekte eine wichtige Rolle spielten. Die Amerikaner verzichteten in der Folge auf ihre Überschalflugzeuge.


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Ein Erforscher des Ozons der Atmosphäre: der kürzlich verstorbene ETH-Professor Hans Ulrich Dütsch.

„Dütsch war sich der Umweltprobleme immer bewusst“, erzählt Stähelin, doch er habe sich vor Panikmache gehütet. Dütsch sah seine Aufgabe darin, möglichst breite wissenschaftliche Grundlagen für die Luftbelastung durch Schadstoffe zu liefern. So habe er sich neben dem stratosphärischen Ozon auch mit dem für Menschen schädlichen Ozon in Bodennähe beschäftigt, als dieses Problem kurz vor seiner Pensionierung in der Schweiz diskutiert wurde.

Fortsetzung von Dütschs Arbeiten

Wie weit werden aber die Untersuchungen von Dütsch heute noch weiterverfolgt? Stähelin berichtet von einem Doktoranden, der gerade eine Studie basierend auf Messungen in Arosa abgeschlossen habe, wo er den Einfluss des 1987 unterzeichneten Montreal-Protokolls auf die Ozonschicht untersucht habe. Neben der Überwachung des Montreal-Protokolls, das zum Schutz der Ozonschicht dient, beschäftigt sich Stähelins Gruppe auch immer mehr mit den Wechselwirkungen zwischen dem Ozon und dem Klima. Der Atmosphärenchemiker macht darauf aufmerksam, dass das Ozon in der Troposphäre, also in einer Höhe bis zu 10 Kilometer, ein starkes Treibhausgas ist. Die Wirkung des Gases sei seit der vorindustriellen Zeit gemäss dem IPCC (International Panel of Climate Change) ein Viertel so gross wie diejenige des Kohlendioxides und somit alles andere als vernachlässigbar. Müsste man da nicht sofort eingreifen? Gleich wie Dütsch ist Stähelin der Auffassung, dass er am meisten bewirken könne, wenn er die wissenschaftlichen Grundlagen verbessere – um die Umsetzung müssten sich die Politiker kümmern.

Ungewöhnliche Wissenschaftlerbiografie

Das heisse aber nicht, dass man das an den Hochschulen generierte Wissen nicht auch der Öffentlichkeit zugänglich machen soll. Hier habe gemäss Stähelin Dütsch mit seinen Beiträgen als Wetterfrosch in der NZZ sicher viel für das allgemeine Verständnis der Meteorologie geleistet. Wahrscheinlich half ihm dabei auch seine Erfahrung als Gymnasiallehrer. So unterrichtete Dütsch nach seinem Doktorat 16 Jahre an der Zürcher Kantonsschule – eine ungewöhnliche Laufbahn aus heutiger Sicht. Obwohl Stähelin sich nicht gegen die Entwicklung der Zeit stellen möchte, findet er es doch bedauerlich, dass der absolut geradlinige Weg an den Hochschulen ein solches Gewicht erhalten habe. Der Atmosphärenchemiker weiss es auf jeden Fall zu schätzen, dass er die Möglichkeit hatte, den zurückhaltenden, seinem Eindruck nach fast introvertierten, aber äusserst liebenswerten Hans Ulrich Dütsch kennen zu lernen, einen Menschen mit Atmosphäre.


Fussnoten:
(1) Departement Umweltwissenschaften: www.env.ethz.ch/index_de.php



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