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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 13.06.2001 06:00

Start der Gen-Lex-Debatte im Parlament
Gentechnikgesetz: Keine schnelle Einigung in Sicht

Heute beginnt im Ständerat die Debatte über die Gen-Lex. Die vorberatende Kommission des Ständerats hat einen Entwurf eines speziellen und einheitlichen Gentechnikgesetzes (GTG) ausgearbeitet und weicht damit vom bundesrätlichen Vorschlag ab, die Lücken der Rechtssetzung der ausserhumanen Gentechnologie im Rahmen des Umweltschutzgesetzes und anderen Gesetzen zu schliessen. Grösste Streitpunkte dürften die neue Haftpflichtregelung und ein allfälliges Moratorium für die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen sein.

Von Dora Fitzli

Grundlage für das schweizerische Gentechnik-Recht im Ausserhumanbereich ist der Artikel 120 der neuen Bundesverfassung (ehemals Artikel 24novies) vom 17. Mai 1992.


BV Art. 120 Gentechnologie im Ausserhumanbereich

1 Der Mensch und seine Umwelt sind vor Missbräuchen der Gentechnologie geschützt.

2 Der Bund erlässt Vorschriften über den Umgang mit Keim- und Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen. Er trägt dabei der Würde der Kreatur sowie der Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt Rechnung und schützt die genetische Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten.



Die Umsetzung dieses Verfassungsartikels in die eigentliche Gesetzgebung erfolgte bis heute nicht in einem eigenen Gesetz, sondern durch Anpassung und Ergänzung bestehender Gesetzeswerke und Verordnungen (Lebensmittelgesetz 1995, Revision des Umweltschutzgesetzes 1995, Revision des Epidemiengesetzes 1997, Freisetzungsverordnung 1999; Eine Zusammenstellung finden Sie unter [1]). Noch immer deckt aber die eidgenössische Gesetzgebung die verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht vollständig ab. Diese Lücken sollen nun endlich nach jahrelangen Diskussion und Verhandlungen geschlossen werden.

Die Gen-Lex-Vorlage, wie sie der Bundesrat am 1. März 2000 dem Parlament zur Beratung übergab ([2], [3]) sah in erster Linie eine Änderung des Umweltschutzgesetzes vor. Es wären aber auch andere Gesetze davon betroffen gewesen, insbesondere das Tierschutzgesetz und das Landwirtschaftsgesetz.

Der Vorschlag des Bundesrats:

auflistungszeichen Neue Schutzziele: Zusätzlich zum Schutz von Mensch und Umwelt werden neue Grundsätze für den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen eingeführt: die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt sowie die Achtung der Würde der Kreatur. Ein Moratorium für den kommerziellen Anbau von GVO-Pflanzen erachtet der Bundesrat nicht für sinnvoll und spricht sich für eine strenge Bewilligungpflicht aus.
auflistungszeichen Haftpflicht: Die Gen-Lex führt eine Haftpflicht des Herstellers von gentechnisch veränderten Organismen ein. Die Verjährungsfrist beträgt 30 Jahre ab dem Schadensereignis bzw. ab dem ersten Inverkehrbringen von entsprechenden Produkten.
auflistungszeichen Ethikkommission: Die eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im ausserhumanen Bereich erhält eine gesetzliche Grundlage.
auflistungszeichen Dialog und Transparenz: Die Gen-Lex will die Kenntnisse und den öffentlichen Dialog über die Gentechnologie fördern. Sie führt ein allgemeines Aktenzugangsrecht zu Informationen über den Umgang mit Organismen ein und ermöglicht die Einrichtung einer Dokumentationsstelle sowie die Durchführung von Informationsveranstaltungen, Vorträgen und Hearings.


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Der Vorschlag der WBK-S: Einheitliches Gentechnikgesetz

Demgegenüber will die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates (WBK-S) die Regelung der Gentechnologie in einem speziellen, einheitlichen Gentechnikgesetz (GTG) verankern. Neben der formalen Umgestaltung der Vorlage hat die WBK-S auch eine Reihe inhaltlicher Änderungen vorgenommen und verschiedene Stellen konkretisiert.

auflistungszeichen Die Mehrheit der WBK-S zieht für die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen wie der Bundesrat eine strenge Bewilligungspflicht einem Moratorium vor, wohingegen eine Minderheit ein Moratorium bis zum Ende des Jahres 2009 für die kommerzielle Züchtung und Vermehrung von gentechnisch veränderten Pflanzen fordert. Die Beurteilung der aufgelisteten Kriterien, die eine Freisetzung ermöglichen oder ausschliessen, soll ausdrücklich aufgrund des Standes der Wissenschaft erfolgen
auflistungszeichen Neu ins Gesetzeswerk soll auch aufgenommen werden, dass Pflanzen mit Antibiotikaresistenzmarkergenen nicht (mehr) freigesetzt werden dürfen, es sei denn für Forschungszwecke. Eine Minderheit der WBK-S fordert das totale Freisetzungsverbot von Pflanzen mit Antibiotikaresistenzgenen. Sollte das neue GTG in Kraft gesetzt werden, hätte die Schweiz in diesem Punkt eine restriktivere Regelung als die EU, wo gentechnisch veränderte Pflanzen mit Antibiotikaresistenzgenen noch bis 2005 kommerziell und bis 2008 zu Forschungszwecken freigesetzt werden dürfen.
auflistungszeichen Im Entwurf der WBK-S werden die Regeln über die Achtung der Würde der Kreatur in einer separaten Bestimmung zusammengefasst. Die WBK-S hat insbesondere ausformuliert, welcher Art die Interessen sein müssen, um eine Beeinträchtigung der Würde der Kreatur zu rechtfertigen. "Als schutzwürdige Interessen gelten namentlich: a. die Gesundheit von Mensch und Tier; b. die Sicherung einer ausreichenden Ernährung; c. die Reduktion ökologischer Beeinträchtigungen; d. die wesentliche Erhöhung des ökonomischen Nutzens für die Gesellschaft; e. die Wissensvermehrung."
auflistungszeichen In der umstrittenen Frage der Haftung für Schäden von gentechnisch veränderten Organismen folgt die ständerätliche Kommission weitgehend dem Vorschlag des Bundesrates, nach dem allein die Herstellerin im Sinne der Produktehaftpflicht mit einer 30-jährigen Verjährungsfrist haftet. Die WKB-S konkretisiert diesen Punkt aber noch, indem explizit gesagt wird, dass die Land- und Forstwirtschaft nicht belangt werden können, ausser man kann ihnen eine unsachgemässe Handhabung nachweisen. Neu ist auch der Vorschlag einer Haftung bei reinen Umweltschäden, also von Schäden an Umweltgütern, die nicht in Privatbesitz sind.
auflistungszeichen Eine weitere Erweiterung des Gentech-Regelwerks ist der Vorschlag eines neues Artikels im Schweizerischen Strafgesetzbuch. Eine Umwelt-Strafnorm soll vorsätzliche schwere Schädigungen von Leib und Leben von Menschen oder der biologischen Vielfalt durch gentechnisch veränderte oder pathogene Organismen ahnden. Somit würden GVO-Schädigungen zum Offizialdelikt, das heisst sie müssten dann vom Staat aus verfolgt werden.

Mit dem Beginn der Debatte der Gen-Lex im Ständerat wurde heute endlich eine neue Runde in der Gentechnikgesetzgebung gestartet. Dennoch ist keine schnelle Lösung zu erwarten, denn dafür sind die Lager der Gentechnologiebefürworter und Gentechnologiegegner wahrscheinlich zu zerstritten, um die vielen Streit- und Diskussionspunkte sachlich und effizient zu regeln. Sollte sich anschliessend die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates als ebenso initiativ wie die ständerätliche Kommission zeigen, könnte sich das ganze noch über weitere zwei, drei Jahre hinziehen.


Literaturhinweise:
1: Übersichtsseite des Departementes für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) zur Gen-Lex mit einer Auflistung aller bereits in Kraft gesetzten Massnahmen:www.admin.ch/uvek/themen/info/d/gentech.htm
2: Botschaft des Bundesrates zu einer Änderung des Umweltschutzgesetzes (USG) vom 1. März 2000: www.admin.ch/uvek/doku/presse/2000/d/00030105.pdf
3: Gesetzesentwurf des Bundesrates: Bundesgesetz über den Umweltschutz: www.admin.ch/uvek/doku/presse/2000/d/00030106.pdf



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