ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
Print-Version Drucken
Publiziert: 27.01.2003 06:00

Hochdrucklabor am ETH-Institut für Mineralogie und Petrographie
Wo rohe Kräfte walten

Um besser zu verstehen, was sich tief im Erdinnern abspielt, versuchen die Erdwissenschaftler, die Prozesse mit Hilfe von Hochdruckexperimenten nachzubilden. Die ETH verfügt dabei über ein Labor mit einer einzigartigen Ausrüstung.

Von Felix Würsten

Aus welchen Mineralien ist der Erdmantel aufgebaut? Wie entsteht das Magma, das bei Vulkanen an der Erdoberfläche austritt? Und wie beeinflussen fluide Phasen wie Wasser und Kohlendioxid diese Prozesse? Solche Fragen lassen sich aus naheliegenden Gründen von der Erdoberfläche aus nur schwer beantworten. Die Geologen müssen sich daher mit indirekten Methoden behelfen. Sie untersuchen etwa Gesteine, die auf Grund günstiger Umstände aus dem Erdmantel an die Erdoberfläche verfrachtet wurden; sie "durchleuchten" das Innere der Erde mit Hilfe von seismischen Wellen; und sie versuchen, die Prozesse im Erdinnern mit speziellen Experimenten nachzubilden.

Druck gleich Kraft pro Fläche

Ein Labor für solche Versuche befindet sich am Institut für Mineralogie und Petrographie (IMP) der ETH Zürich (1). Hochdruckexperimente, wie sie hier durchgeführt werden, sind eine handfeste Angelegenheit, das merkt man als Besucher sofort. Verschiedene Pressen, jede davon mehrere Tonnen schwer, prägen das Bild im werkstattähnlichen Labor. (2) "Wir haben hier einige Maschinen, die es nur an der ETH gibt", erklärt Max W. Schmidt, Tenure track Assistenzprofessor am IMP.

Geradezu filigran erscheinen im Vergleich dazu die Proben, welche unter die robusten Maschinen gelegt werden. Nur wenige Milligramm Material werden bei einem Versuch jeweils zusammengepresst. "Druck gleich Kraft pro Fläche", erklärt Peter Ulmer, Privatdozent am IMP, das einfache Prinzip. "Wir versuchen daher, die Kraft auf einen möglichst kleinen Bereich zu fokussieren. Nur so können im Labor die Bedingungen erreicht werden, wie sie im Erdmantel herrschen."

Eingefrorener Zustand

Die Kraft wird dabei mit Hilfe einer raffinierten Konstruktion fokussiert. Das sorgfältig präparierte Gesteinspulver wird in ein Edelmetallröhrchen eingeschweisst und zusammen mit einem Keramikröhrchen, das als Heizung dient, in einen kleinen Oktaeder aus Magnesiumoxid gesetzt. Um diesen Oktaeder herum werden acht Wolframkarbid-Würfel montiert, bei denen jeweils eine Ecke abgeschnitten ist. Wenn nun die Presse die acht Würfel zusammen drückt, wird die gesamte Kraft über die Flächen der abgeschnittenen Ecken auf den Oktaeder und damit auf die Probe gelenkt. Gleichzeitig wird die Probe auf eine Temperatur von bis zu 2500°C erhitzt.

Einblick in die Probenkammer der 400-kbar-Presse: Die Teilstücke der Kugel übertragen den Druck auf den kleinen hellen Würfel, in dem das Probenmaterial sitzt. (Bilder M. Schmidt / P. Ulmer) gross

Je nach chemischer Zusammensetzung lässt man das Probengemisch während mehreren Stunden oder Tagen reagieren. Um das Experiment zu beenden, wird einfach die Heizung ausgeschaltet – innerhalb weniger Sekunden kühlt die Probe ab. "Durch dieses Abschrecken wird der Zustand der Probe sozusagen eingefroren", erklärt Schmidt. "So können wir rekonstruieren, was sich im Erdinnern abspielt."


weitermehr

Das Hochdrucklabor des IMP: die rote Presse hinter Max Schmidt ist für Drücke bis 400 kbar ausgelegt, die blaue Presse am rechten Bildrand für Drücke bis 250 kbar. gross

Die blaue Presse kann während des Versuchs gedreht werden, damit sich Wasser und Gesteinspulver nicht trennen. gross

Einzigartige Konstruktion

"Uns interessieren vor allem Prozesse, die durch fluide Phasen beeinflusst werden", berichtet Ulmer. Solche Prozesse spielen sich etwa bei Subduktionszonen ab. Dort werden die wasserhaltigen Gesteine der ozeanischen Kruste tief in den trockenen Erdmantel geschoben. Durch das eingebrachte Wasser beginnt ein Teil der Mantelgesteine zu schmelzen; es bildet sich Magma, und wenn dieses bis zur Erdoberfläche aufsteigt, entsteht dort ein imposanter Vulkan.

Wasserhaltige Proben sind bei Hochdruckexperimenten allerdings nicht einfach zu handhaben, trennen sich doch Gesteinspulver und Wasser wegen der Gravitation. Wenn die Probe jedoch nicht mehr homogen ist, entstehen im Labor Reaktionsmuster, die es im Erdmantel nicht gibt. Damit das verhindert werden kann, haben die Techniker der ETH eine einzigartige Konstruktion entwickelt. Die drei Tonnen schwere Presse wird während des Versuchs jede halbe Minute umgedreht, damit sich Gesteinspulver und Wasser nicht trennen.

Das zweithärteste kommerzielle Material ist zu schwach

Mit der drehbaren Presse kann man einen Druck von rund 250 Kilobar (kbar) erzeugen. Die Forscher können also damit Prozesse untersuchen, die sich an der Grenze zwischen dem oberen und unteren Erdmantel in einer Tiefe von rund 650 Kilometer abspielen. Was im unteren Mantel geschieht, kann man mit dieser Apparatur jedoch nicht studieren. Das Hochdruck-Team hat deshalb eine wesentlich leistungsfähigere Presse konstruiert, die für einen Druck von 400 kbar ausgelegt ist.

Derart hohe Drücke erfordern eine massive Konstruktion. Allein schon die Probenkammer wiegt etwa 300 Kilogramm; sie kann nur mit Hilfe eines kleinen Krans zusammengesetzt werden. Da sich Wolframkarbid, immerhin das zweithärteste kommerziell verwendete Material, bei einem Druck von mehr als 250 kbar plastisch verformt, muss die Kraft bei den extremen Drücken mit Würfeln aus gesintertem Diamant auf die Probe übertragen werden. Damit der spröde Diamant während des Versuchs nicht bricht, wird die Probenkammer in ein Ölbad getaucht. Der im Druckgefäss von einer Pumpe erzeugte Druck wirkt dadurch gleichmässig auf die Probenkammer.

Auf den Spuren der Diamanthersteller

Das schwere Ungetüm wird gegenwärtig vom Hochdruckteam kalibriert. Wenn diese Arbeit abgeschlossen ist, steht den Forschern eine Apparatur zur Verfügung, die es in vergleichbarer Form nur noch in Japan gibt. Mit der neuen Presse kann Schmidts Gruppe Vorgänge tief im unteren Erdmantel studieren. Die Konstruktion basiert übrigens auf einem Prinzip, das schon seit längerem bekannt ist, jedoch zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten ist. Wie Schmidt berichtet, wurden in den fünfziger Jahren mit einer ähnlichen Anlage die ersten synthetischen Diamanten hergestellt.


Fussnoten:
(1) Website des Departements Erdwissenschaften: www.erdw.ethz.ch
(2) Website des Hochdrucklabors: www.hplab.ethz.ch



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!