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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 26.02.2002 06:00

Ausstellung und Tagung zum Designrecht
Der Kotflügel: ein Designerstück?

Le Corbusiers berühmte Liege ist genauso ein Designerstück wie das Stickboard "Wetzer" eines Schweizer Fotografen; aber kann das auch für einen Kotflügel gelten? Eine ETH-Ausstellung zeigt Designergegenstände, um deren angebliche Imitate einmal vor Gericht gestritten wurde.

Von Richard Brogle

Hätten Sie das gedacht? Der Kotflügel Ihres Autos ist ein Designerstück! Sicher, mindestens rechtlich. Mit dieser Qualifikation haben es die Automobilfirmen fertig gebracht, sich unerwünschte Konkurrenz für Ersatzteile vom Leib zu halten. Ist nämlich die Form des Kotflügels erst einmal als Design angemeldet, so kann die Autofirma allen anderen Unternehmen verbieten, Kotflügel mit der gleichen Form zu verkaufen (1). Und Ersatzteile wie der Kotflügel haben typischerweise die gleiche Form, sonst würden sie sich kaum mit Scheinwerfern, Blinklichtern usw. am entsprechenden Auto montieren lassen.

Wetzer
Die Imitationen des "Wetzers" kosteten nur ein Drittel und waren "made in China". gross

Designerstücke mit gerichtlicher Vergangenheit

Der Kotflügel ist nur ein Beispiel für eines der Designerstücke, die heute Dienstag und am Mittwoch in der Eingangshalle des ETH-Hauptgebäudes ausgestellt werden. Die Ausstellung begleitet die Tagung "Das revidierte Schweizer Designrecht", das vom Lehrstuhl für Technologie- und Informationsrecht der ETH Zürich mitorganisiert wird. Alle Exponate sind (Original)-Designerstücke. Das Besondere an ihnen ist, dass alle einmal Gegenstand eines Gerichtsverfahrens in der Schweiz waren. Zu jedem Stück ist eine zweiteilige Beschreibung zu finden; der erste Teil würdigt die künstlerische Gestaltung, während der zweite Abschnitt aufzeigt, wie sich die Kreateure des guten Stückes rechtlich gegen wirkliche und vermeintliche Nachahmungen zur Wehr gesetzt haben.


Tagung zum Designerrecht

Unter dem Titel "Das revidierte Designrecht" findet am 26. und 27. Februar eine Tagung an der ETH statt. Für ETH-Studierende ist der Besuch der Tagung kostenlos. Sie werden von den Organisatoren aber gebeten, sich unter der E-Mailadresse susanne.grand@recht.gess.ethz.ch anzumelden. Die Vorträge richten sich an am ersten Tag ein Publikum ohne juristische Vorkenntnisse, während der zweite Tag vor allem für Richter, Patentanwälte, Rechtsanwälte und Unternehmensjuristen interessant sein dürfte.



Bundesrichter als Architekturkritiker

Sogar das Bundesgericht liess es sich nicht nehmen, seinerseits Designerobjekte künstlerisch zu würdigen. So war es bei einem Betonbau aus den sechziger Jahren der Auffassung, dass die kubische Gestaltung des Bauwerkes "unbestreitbar durch ihre Leichtigkeit und Eleganz" besteche (2). Trotz dieser Würdigung wies das Bundesgericht die Beschwerde der Architekten ab, da das Werk kein "unverwechselbarer Ausdruck Ihrer Persönlichkeit" sei. Auf das Flachdach des Gebäudes konnte folglich gegen den Willen der Architekten ein Giebeldach gesetzt werden.


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Kotfluegel
"Dieser Kotflügel war Gegenstand eines Gerichtsverfahrens im Bereich Designrecht", erklärt Oberassistent Mathis Berger, Mitorganisator der Ausstellung zum Designrecht. gross

Der "Wetzer": ein Hit lockt Imitatoren an

Dieses Designerstück kennen Sie bestimmt: das Stickboard, das einem Trottinett ähnlich sieht und im April 1998 auf den Schweizer Markt kam. Unter dem Namen "Wetzer" registrierte der Schweizer Fotograf Patrick Rohner das Design seines Stickboardes und begann mit der Produktion des Trendmodells. Der "Wetzer" stellte sich als Hit heraus. In den besten Monaten verkaufte der Fotograf bis zu 3'000 Stück. Bei diesem Erfolg liessen die Imitationen nicht lange auf sich warten. Ende 1999 tauchte eine Wetzer-Imitation auf, die in China hergestellt und für nur einen Drittel des Preises angeboten wurde. Mit der Androhung rechtlicher Schritte konnte der Fotograf einen Grossverteiler dazu bewegen, den Vertrieb der Imitation in der Schweiz zu stoppen. Laut Mathis Berger, Oberassistent am Lehrstuhl für Technologie- und Informationsrecht an der ETH, ist jedoch fraglich, ob der Fotograf seine Rechte in einem Gerichtsverfahren durchgesetzt hätte. Die zu erwartenden Kosten wären wohl als zu hoch eingeschätzt worden.

Ohne langen Atem Wenig Schutz

Ein weiteres Problem bestand darin, dass der Fotograf das Design aus Kostengründen nur in der Schweiz und ein paar wenigen anderen Staaten schützen liess. Somit war es rechtlich und ökonomisch unmöglich, seinen Rechten weltweite Geltung zu verschaffen. Mathis Berger dazu: "Er wurde in dramatischer Weise mit der Diskrepanz zwischen der Globalität der Märkte und der Nationalität der Rechtsordnungen konfrontiert." Bei Produkten wie dem "Wetzer" brauche es neben einem effizienten internationalen Schutzsystem beim Designer "ausreichende finanzielle Mittel und einen langen Atem". Will heissen: um das Gegenüber zu beeindrucken, muss man mindestens den Eindruck erwecken, problemlos über mehrere Instanzen prozessieren zu können. Bevor aber über viele Instanzen über den "Wetzer" hätte gestritten werden können, ging ihm selber der Atem aus. Ende Herbst 2000 brach die Nachfrage zusammen und Mitte 2001 musste die Produktion eingestellt werden.


Stichwort Designrecht

Das Designrecht schützt flächenhafte oder körperliche Gestaltungen von gewerblichen oder industriellen Produkten jeglicher Art. Unter dem Oberbegriff "Design" sind sowohl die zweidimensionalen Muster wie auch die dreidimensionalen Modelle geschützt. Folglich kann sowohl ein Etikett einer Weinflasche wie auch die Form einer Zahnbürste beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum registriert werden.

Zu unterscheiden ist das Design einerseits vom Patent, das nur eine technische Erfindung zu schützen vermag, andererseits von der Wort-Bild-Marke (Logo), die durch ein grafisches Zeichen eine Dienstleistung oder Ware von der Konkurrenz abheben soll, was bei der Formmarke eine kennzeichnungskräftige Formgebung bewirken soll. Zu unterscheiden ist das Designrecht auch vom Urheberrecht, das nicht eingetragen werden muss und bis 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers wirkt, während das Design nach 15 Jahren (nach der Gesetzesrevision: 25 Jahre) kopiert werden darf; Preis für die längere Schutzdauer beim Urheberrecht sind aber höhere Schutzvoraussetzungen.




Literaturhinweise:
Bundesgesetz vom 30. März 1900 betreffend die gewerblichen Muster und Modelle: www.admin.ch/ch/d/sr/c232_12.html

Fussnoten:
(1) Gegen Missbräuche könnte allenfalls mit kartellrechtlichen Instrumenten vorgegangen werden
(2) Der Bundesgerichtsentscheid BGE 117 II 466ff.



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