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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 16.05.2001 01:00

ETH-Physikstudent kämpft gegen unerwünschte E-Mail-Werbung
Spam-Jäger vor Gericht

Ein Physik-Student der ETH prangert auf seiner Internetseite die Verkäufer von E-Mail-Adressen an. Er wirft ihnen vor, die Adressen auf unsaubere Weise gesammelt zu haben und dazu beizutragen, dass immer mehr Leute mit unerwünschter E-Mail-Werbung belästigt werden. Jetzt drehen die Verkäufer den Spiess um und klagen ihrerseits den Studenten an. Morgen steht er vor Gericht.

Von Jakob Lindenmeyer und Richard Brogle

"Ich bin da irgendwie hineingerutscht", antwortet der ETH-Physikstudent Roman Racine auf die Frage, wie es dazu kam, dass er vor Gericht geladen wurde. Den Helden spielen wollte er eigentlich nie - Märtyrer schon gar nicht. Mit seinem Kampf gegen unerwünschte E-Mail-Werbung scheint er für einen Teil der Internetgemeinde nun aber genau das zu werden. Sein Antrieb: "Mich stört einfach, dass jemand Tausende von Mails zum eigenen Profit rauslässt und dadurch viel Stress und verstopfte Mailboxen erzeugt."

BGZ
ETH-Student Racine muss morgen Donnerstag vors Bezirksgericht: "Ich bin zuversichtlich den Prozess zu gewinnen." gross

Angefangen hat es mit einer CD, die er von einem Bekannten bekommen hatte. Auf der CD sind über eine halbe Million Schweizer E-Mail-Adressen, die zu Werbezwecken verwendet werden können. Einen solchen Massenversand unerwünschter Werbe-Mails nennt man im Internet-Slang "Spamming" oder kurz "Spam". Racine: "Als ich zum ersten Mal reinschaute, dachte ich gleich: Hoppla!" Während er die Adresssammlung für Werbemails (kurz "Spam-Datenbank") analysierte, wurde ihm klar, dass viele der Daten von der Domain-Registrationsstelle "Switch" stammen mussten. Diese untersagt aber die Verwendung der dort abrufbaren E-Mail-Adressen zu Werbezwecken. Andere Daten sollen vom elektronischen Telefonbuch oder mit automatischen Suchrobotern von Homepages kopiert worden sein - ob dies die Benutzer wollten oder nicht.

Auch die ETH ist betroffen

Neben Ruth Metzler, Nella Martinetti und Bill Gates sind auch ETH-Angehörige in der Spam-Datenbank eingetragen, insgesamt 796 Mal. Dies ist der höchste Wert unter den Schweizer Hochschulen. Die Uni Zürich folgt mit 418 Adresseinträgen. Wie kamen die Adresssammler an so viele Hochschuldaten ran? Keine grosse Kunst, meint Racine, denn: "Am ETH-Web stört mich, dass auf gewissen Webseiten sehr viele E-Mail-Adressen zwangsweise veröffentlicht werden, beispielsweise im ETH-Telefonbuch oder bei Übungsgruppen." Nötig wären bei diesen Adresssammlungen technische Mittel, welche die Mail-Adressen vor Suchrobotern schützen oder ein Disclaimer, der die kommerzielle Nutzung untersagt. Auch sollte die Publikation der Mail-Adresse freiwillig sein.


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Spam
Der Spam-Jäger Roman Racine bei der Arbeit: "Momentan leidet mein ETH-Studium etwas unter dem Prozess. Diese Woche ist es eine Katastrophe." gross

"Bin auch ich darin verzeichnet?"

wird sich jeder fragen. Wer daran interessiert ist, welche Daten über die eigene Person in der analysierten Spam-Datenbank gespeichert sind, kann sich bei Racine per Mail danach erkundigen (1). Bis Donnerstag liefert er per elektronische Post die Datenbank-Einträge zur eigenen Person. "Natürlich habe ich Kapazitätsgrenzen", bemerkt er dazu. ETH Life hat's ausprobiert und war erstaunt, gleich über sechs Einträge zu verfügen. Bei einer Niederlage am Donnerstag könnte dieser Service vom Bezirksgericht verboten werden, ebenso wie die dazugehörige Website (2). Dort machte Racine seine Erkenntnisse publik und rief die Leser dazu auf, von den Vertreibern der CD einen Auszug der eigenen Daten zu bestellen. Im Weiteren bezichtigte er die Vertreiber, das Datenschutzgesetz verletzt zu haben.

Showdown vor Gericht

Herausgegeben wird die CD von einer Firma mit Sitz im amerikanischen Las Vegas. Vertrieben wird sie in der Schweiz von Fausto G. Farinoli. Dieser ist gar nicht erfreut über die Kritik des ETH-Studenten und beschreitet darum den Rechtsweg. Mit einer superprovisorischen Verfügung wollte er erreichen, dass die entsprechende Internetseite gesperrt würde. Damit ist er vor Bezirksgericht aber abgeblitzt. Nun geht es in die zweite Runde. Farinoli will mit einer provisorischen Verfügung das Gleiche erreichen. Im Gegensatz zur superprovisorischen Verfügung wird in diesem Schritt die Gegenpartei - hier der ETH-Student - angehört. Somit kommt es morgen Donnerstag vor Bezirksgericht zu einem ersten Showdown zwischen dem CD-Vertreiber und dem Kämpfer gegen verstopfte Mailboxen.

Wie aber bereiten sich die beiden Gegner auf den Kampf vor? Der CD-Vertreiber Farinoli will sich nicht in die Karten blicken lassen: "Vor dem Prozess verrate ich keine Details", meinte er gegenüber ETH Life. Genau gegenteilig die Reaktion seines Gegners: Freimütig erklärt der Student Roman Racine auf der ETH Life-Redaktion seine Strategie vor Gericht. Allein die Prozessvorbereitung hat ihn über 30 Stunden gekostet - die vorangehenden Ermittlungen ein Mehrfaches davon. "Momentan leidet mein ETH-Studium etwas unter dem Prozess. Diese Woche ist es eine Katastrophe", klagt Racine. Doch er ist zuversichtlich, den Prozess zu gewinnen. Sollte er hingegen verlieren, rechnet Racine mit der Unterstützung und Solidarität sympathisierender User-Vereinigungen wie der Swiss Internet User Group (SIUG) und Trash.net.

Mobilisierung auf Gerichtstermin

Zusammen mit der Linux User Group mobilisieren Trash.net und die SIUG bereits fleissig Sympathisanten für den Prozess. Obwohl die Geschichte schon ein breites Medienecho (3) ausgelöst hat, nimmt Ankläger Farinoli nicht an, dass die Gerichtsverhandlung von grossem Interesse sei. ETH Life jedenfalls berichtet am Freitag über den morgigen Showdown vor Bezirksgericht (4). Wer es vorher wissen will: Die Gerichtsverhandlung am kommenden Donnerstag ist öffentlich.


Fussnoten:
(1) Auskunft über die Daten zur eigenen Person in der analysierten Spam-Datenbank gibt es über eine E-Mail an bbook@trash.net
(2) Website von Roman Racine zur analysierten Spam-Datenbank: http://bbook.trash.net/ (wird ab 22. Mai gerichtlich gesperrt)
(3) Medienecho zu der von Roman Racine analysierten Spam-Datenbank: http://bbook.trash.net/presse.html (wird ab 22. Mai gerichtlich gesperrt)
(4) ETH Life-Bericht über die Gerichtsverhandlung: www.ethlife.ethz.ch/tages/show/SpamGerichtsentsche.html



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