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Rubrik: Tagesberichte |
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ETH Visionen: Tag der Wirtschaft, Politik und Alumni Der Blick von aussen |
Unternehmer und Politiker erklärten am Tag der Wirtschaft, Politik und Alumni, wie sie sich die Entwicklung der ETH Zürich vorstellen. Ausgangspunkt bildete ein Thesenpapier, das eine Arbeitsgruppe vorgängig erarbeitet hatte. Von Felix Würsten Am vierten Tag der Intensivwoche "ETH Visionen" stand die Sicht der Aussenwelt auf die ETH im Vordergrund. Am sehr gut besuchten Tag der Wirtschaft, Politik und Alumni äusserten Vertreter dieser drei Gesellschaftsbereiche ihre Ansichten zur Zukunft der ETH. Ausgangspunkt der Diskussion bildeten neun Thesen, die eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Politikern, Wirtschaftsvertretern und Alumni zusammen mit der ETH-Schulleitung im Vorfeld der Intensivwoche erarbeitet hatten. Die ETH, so Pius Baschera, CEO der Hilti Gruppe und treibende Kraft in der Arbeitsgruppe, müsse sich angesichts der veränderten globalen Bedingungen einige Fragen stellen, etwa ob der uneingeschränkte Zugang zu den Universitäten nach der Matur noch zeitgemäss sei. Themen der Zukunft Welche Themen global gesehen in den nächsten Jahren dominieren werden, zeigte der amerikanische Zukunftsforscher Jerome Clayton Glenn auf. "The future will be more than most people think", erklärte der Direktor des Millennium Projects. Vor 25 Jahren gab es kein Internet, keine EU, Nato oder WTO in Osteuropa, kein Klonschaf Dolly, keine Expeditionen auf den Mars und auch kein Aids. Die Welt, so Glenn, befinde sich in einer Übergangsphase hin zum Post-Informations-Zeitalter, und die Entwicklung werde sich in den nächsten Jahrzehnten noch weiter beschleunigen. Im Rahmen des Millennium Projects haben Vertreter aus aller Welt fünfzehn Schlüsselthemen der Zukunft ermittelt. Dazu gehören etwa die nachhaltige Nutzung der Ressourcen, eine ausreichende Wasserversorgung für alle, die gerechte Verteilung des Reichtums oder die Gleichberechtigung der Frauen und deren Schutz vor Gewalt. Die ETH, so Glenn, besitze vor allem in den Bereichen nachhaltige Entwicklung sowie Informations- und Kommunikationstechnologien grosse Chancen, die sie nutzen sollte. Aus der Sicht der Wirtschaft scheint es heute unbestritten zu sein, dass die ETH für den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes eine entscheidende Rolle spielt. Im Publikum waren denn auch zahlreiche hochkarätige Wirtschaftsvertreter auszumachen. Armin Meyer, Verwaltungsratspräsident und CEO der Ciba Spezialitätenchemie, vertrat dezidiert die Auffassung, dass die viel beklagte Berührungsangst zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ein Mythos sei. Kooperationen zwischen Unternehmen und Hochschulen seien unabdingbar für das Gedeihen des Landes. Wie wichtig dies ist, verdeutlichte Meyer am Beispiel Finnlands. Das Land hat nach einer schweren Wirtschaftskrise innert weniger Jahre einen Wandel hin zu einer erfolgreichen Wissensökonomie geschafft. Vier Wünsche Die Sicht der Politik vertrat SP-Nationalrätin Barbara Haering. Sie blickte in ihrem Referat auf die Anfänge der ETH zurück. Gottfried Semper, so Haering, vereinte in seinem Schaffen bereits vor 150 Jahren vieles, was heute von der künftigen ETH gefordert wird: Exzellenz auf internationalem Niveau, ein interdisziplinärer Zugang zu Themen, ein Engagement für die Demokratisierung des Wissens und die Bedürfnisse der Öffentlichkeit. Die ETH habe die Chance, in zentralen Bereichen der Gesellschaft zu lehren und zu forschen. Die Hochschule könne aber nur erfolgreich sein, wenn sie sich ihrer Verantwortung stelle – und dies nicht als lästige Aufgabe, sondern als Chance und Akt innerer Freiheit betrachte. Haering äusserte vier Wünsche an die ETH: dass sie Nachhaltigkeit als zentrale Querschnittsaufgabe wahrnimmt; dass sie den Ingenieurbereich reformiert und weiterentwickelt; dass sie Studierende befähigt, sich kompetent in der Welt der Informations- und Kommunikationstechnologien zu bewegen; und schliesslich, dass sie im Bereich der Life Sciences den gesellschaftlichen Dialog stärker sucht. Angesichts der bevorstehenden Herausforderungen stellt sich die Frage, wie denn eine Hochschule erfolgreich zu führen ist. Lässt sie sich, wie einige nicht ohne gute Gründe argumentieren, ähnlich wie ein Untenehmen leiten? Oder ist es doch eher so, wie Adolf Muschg, Präsident der Berliner Akademie der Künste, einmal schrieb: Eine Universität ist keine Schuhfabrik! Der scheidende ETH-Präsident Olaf Kübler wagte die Herausforderung, die "Schuhfabrik ETH" mit Begriffen der Wirtschaft zu beschreiben. Die Absolventen sind demnach das Produkt, das die ETH hervorbringt. Dieses zeichnet sich durch verschiedene Qualitäten aus, etwa Intelligenz, Willenskraft und Verantwortungsbewusstsein. Kübler plädierte für eine stärkere internationale Ausrichtung der ETH, gleichzeitig auch für eine gezielte Auswahl der Studierenden.
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Brisante Vorschläge Bundesrat Joseph Deiss, Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, brachte mit einem wirtschaftspolitischen "tour d'horizon" zum Schluss des Tages noch einmal die Sicht der Politik ein. Wirtschaftspolitik sei nie Selbstzweck, sondern orientiere sich an Zielen wie Beschäftigung, Wachstum und Verteilung des Wohlstandes. Der Bundesrat versuche auf mehreren Ebenen, die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit des Landes zu sichern. Dabei müsse auch Liebgewonnenes aufgegeben werden, etwa im Agrarsektor oder im Gesundheitswesen. Im Bereich Bildung, Forschung und Innovation gehe es darum, den Wissensstandort Schweiz insgesamt zu stärken. Der Bundesrat wird im nächsten Jahr dem Parlament eine neue Botschaft zu Bildung, Forschung und Innovation für die Periode 2008 bis 2011 vorlegen. Deiss möchte dabei den Kreditrahmen um 6 Prozent erhöhen; gleichzeitig sollen die Mittel für die Fachhochschulen und die angewandte Forschung überdurchschnittlich steigen. Nach Ansicht von Deiss braucht es im Forschungsbereich eine vermehrte Schwerpunktbildung. Die universitären Hochschulen müssten ihre Hausaufgaben machen und ihre Portfolios bereinigen. Deiss erinnerte daran, dass bei den Fachhochschulen eine Konzentration der Kräfte nur dank einem gewissen Druck des Bundes zustande kam. Auf Seiten der ETH löst die Vorstellung, dass der Bund die Forschung stärker koordiniert, nicht nur eitel Freude aus. Beim Kurzgespräch mit Joseph Deiss auf der Eventbühne in der Haupthalle bezweifelte ETH-Rektor Konrad Osterwalder, dass eine stärkere Einflussnahme des Bundes wirklich wünschenswert ist. Und auch Alexander Zehnder, Präsident des ETH-Rates, sprach sich in der Podiumsdiskussion vor dem bundesrätlichen Referat dezidiert gegen eine stärkere politische Einflussnahme auf die Ausrichtung der Hochschulen aus. Diese müssten, innerhalb der vorgegebenen Rahmenbedingungen, autonom entscheiden können, wie sie Forschung und Lehre gestalten wollen. |
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