ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
English Version English Version
Print-Version Drucken
Publiziert: 21.01.2004 06:00

Ein Student und ein Professor äussern sich zum World Economic Forum.
Meinungen zum WEF

Heute startet in Davos das Weltwirtschaftsforum WEF, dieses Jahr zum Thema “Partnering for Prosperity and Security". Der ETH-Student Urs Wäfler ist als Helfer mit dabei und äussert sich zum Treffen von Politikern und Managern aus aller Welt. Eher kritische Ansichten hat hingegen der ETH-Professor Thomas Bernauer.

Von Jakob Lindenmeyer und Edith Oosenbrug

Als Student am WEF

Er gehe nicht nach Davos, um zu „sünnelen“ oder Ski zu fahren, sagt Urs Wäfler, 24 und ETH-Student der Informationstechnologie und Elektrotechnik. Als Mitglied des "External Staff" am heute eröffneten World Economic Forum in Davos habe er mit einem ausgefüllten Arbeitstag zu rechnen, der von 7.30 Uhr morgens bis Mitternacht dauern könne. „Wir Studierende können bei einigen Verhandlungen dabei sein, erledigen aber vor allem administrative Arbeiten", sagt er. – Eher eine Pflicht als eine Kür, scheint es, und nicht gerade eine Tätigkeit, die einen ETH-Studenten herausfordert, auch wenn der zehntägige Einsatz mit 1'000 Franken honoriert wird.


Das Weltwirtschaftsforum WEF

WEF steht für World Economic Forum. Vom 21. bis zum 25. Januar treffen sich in Davos zum 34. Mal Staatsoberhäupter, Minister, Wirtschaftsführer und Politiker aus aller Welt. Gegründet wurde das WEF 1971 vom Wirtschaftsprofessor und ETH-Alumnus Klaus Schwab, der dazu auch schon an der ETH referierte (1), (2). Neben dem eigentlichen Weltwirtschaftsforum organisiert das WEF mit dem “Open Forum" in Davos begleitend eine öffentliche Pubilkumsveranstaltung.(3) Zudem gab es auch in Zürich (kritische) Veranstaltungen zu WEF und Globalisierung.(4)



Auf der Suche nach Neuem

Was hat Urs Wäfler trotzdem bewogen, sich für den WEF-Job zu melden? „Ich habe primär kein politisches Motiv. Es geht bei dem, was ich in Davos mache, nicht darum, sich zu positionieren“, erklärt Urs Wäfler. Doch neben seiner wissenschaftlichen Ausbildung an der ETH ist es für ihn wichtig, Offenheit zu zeigen gegenüber anderen Kulturen, der Wirtschaft oder der Politik.

„Mein Ziel ist es unter anderem, Dinge kennen zu lernen, die ich bis jetzt nicht gesehen habe und auch an der ETH nie sehen werde“, sagt Wäfler – und das WEF mit seinem beeindruckenden Aufmarsch von internationalen Opinion Leaders sei eine ideale Gelegenheit dazu.

„Ich unterstütze das WEF in seiner Mission“

Doch was denkt der ETH-Student darüber, dass gerade viele Studierende Organisationen wie dem WEF kritisch gegenüber stehen. „Das WEF steht für hohe Wertvorstellungen und soziales Engagement“, hält Wäfler dem entgegen. „Es werden grundlegende Probleme der Menschheit aufgenommen, diskutiert und nach deren Lösungen gesucht, unter Einbezug der momentanen Wirtschaftslage sowie möglichst vieler Kulturen und Religionen.“

„Mir scheint, das WEF gibt für viele Kritiker eine ideale Projektionsfläche ab“, findet Urs Wäfler. Davon zeugt seiner Meinung nach, dass offenbar die Aspekte Macht und Besitz die äussere Wahrnehmung des WEF dominierten. Dabei gehe es doch darum, Gräben zu schliessen zwischen Wirtschaft, Religionen und Ethik. Er habe das Gefühl, dass jene, die das WEF pauschal ablehnen, sich zu wenig damit befassen, welches die Ziele des WEF sind und wer dahinter steckt. Die Zunahme der Proteste, der Zahl der Demonstrierenden und entsprechend des Polizeiaufgebots trage das Ihre bei zur Polarisierung – und zur Steigerung der Aufmerksamkeit. „Aber das gehört wohl auch etwas dazu“, meint Urs Wäfler gelassen.


Mitarbeit am WEF

Das WEF bietet jährlich etwa 140 Studierenden aus 80 Nationen die Möglichkeit, während eines kurzen Arbeitseinsatzes hinter die Kulissen des Annual Meetings zu schauen. Voraussetzungen für den Einsatz sind gute Fremdsprachenkenntnisse, erste Arbeitserfahrungen sowie eine gültige Arbeitsbewilligung für die Schweiz. Die offenen Stellen werden jeweils im Herbst auf der Website des WEF (3) ausgeschrieben. Der Einsatz wird mit einem Taschengeld, Kost und Logie und Reisespesen entlöhnt. Am Ende des Forums findet eine Abschlussparty für alle Mitwirkenden statt.



Herr Bernauer, was verstehen Sie unter dem diesjährigen WEF-Motto “Partnering for Prosperity and Security" ?

Thomas Bernauer: Es geht um die in der Politikwissenschaft schon seit Jahrzehnten bekannte Hypothese „Sicherheit + Wohlstand = Frieden“. Einerseits bedingt nachhaltiges Wirtschaftswachstum zumindest mittel- bis langfristig eine dem Modell des liberal-demokratischen Verfassungsstaates verpflichtete öffentliche Ordnung. Andererseits kann Wirtschaftswachstum auch die politische Stabilität und damit letztlich den Frieden fördern. Demokratische Staaten, die wirtschaftlich eng miteinander verflochten sind, führen praktisch nie gegeneinander Krieg.


Der Globalisierungs-Spezialist

Thomas Bernauer ist seit 1995 Professor für Politikwissenschaft (Schwerpunkt Internationale Beziehungen) im D-GESS und am Zentrum für Internationale Studien (CIS) der ETH und Uni Zürich. Zu seinen Schwerpunkten in Forschung und Lehre gehören Fragen der internationalen Wirtschafts- und Umweltpolitik. Sein Buch “Staaten im Weltmarkt" (5) befasst sich mit den Auswirkungen der wirtschaftlichen Globalisierung auf staatliche Handlungskapazitäten.



Wer steht dieses Jahr im Mittelpunkt? Bill Clinton, John Ashcroft oder ein Schweizer Bundesrat?

Klar der UNO-Generalsekretär Kofi Annan. Ohne massive Hilfe der UNO werden es die USA nicht schaffen, im Irak eine demokratische und langfristig stabile Ordnung zu errichten. Momentan gibt es im Irak sowie in vielen anderen Konfliktregionen der Welt weder Prosperity noch Security noch Demokratie. Will man diese Probleme lösen, braucht es mehr als militärische Muskeln. Nur die UNO besitzt das Know-how und die internationale Legitimität, solche Probleme auf breiter Front wirksam zu bearbeiten.

Was genau machen alle diese Manager und Politiker in Davos?

Wichtig am WEF sind primär das Knüpfen von geschäftlichen und politischen Kontakten sowie das Diskutieren von Themen an der Schnittstelle von Wirtschaft und Politik. Eine Mischung aus “sehen-und-gesehen-werden", gegenseitigem Schulterklopfen, “Networking" und Gedankenaustausch abseits der Alltagshektik.

Welchen Einfluss hat das WEF auf die Weltwirtschaft und Weltpolitik?

Einen verschwindend kleinen. Konkrete wirtschafts-, sozial-, oder sicherheitspolitische Probleme werden in Davos weder substantiell verhandelt noch gelöst. Das WEF ist ein privater Verein, der mittels Konferenzen versucht, Weltanschauungen zu entwickeln und öffentliche Meinungsbildung zu betreiben. Etwas pointiert gesagt, handelt es sich vor allem um weltwirtschaftliche und weltpolitische Begleitmusik. Die wichtigen Entscheidungen in der Weltwirtschaft werden beispielsweise bei G-8 Treffen, Weltbank-, IWF-, WTO-, OECD- und UNO-Konferenzen, in der EU oder in bilateralem Rahmen getroffen. In den Medien wird die Bedeutung des WEF oft übertrieben.

Um die Globalisierungskritiker scheint es eher ruhiger geworden zu sein...

...da bin ich anderer Meinung. Die gesamte NGO-Aktivität ist immer noch sehr gross. Dies zeigt sich am gegenwärtigen Weltsozialgipfel in Bombay. Allerdings scheint die Protestbewegung momentan etwas weniger gewalttätig zu sein.

Ist die Kritik an der Globalisierung berechtigt?

Nicht jede. Der Vorwurf beispielsweise, dass der Welthandel und das internationale Finanzsystem die Entwicklungsländer ärmer machen, ist in dieser radikalen Form nachweislich falsch. Meistens sind es innenpolitische Probleme und wirtschaftspolitische Fehlleistungen, welche die Entwicklung hemmen, wie beispielsweise in einigen Staaten Lateinamerikas und Schwarzafrikas. Paradebeispiel ist momentan das Mugabe-Regime in Zimbawe. Länder wie Südkorea und Taiwan haben sich erfolgreich in die Weltwirtschaft integriert. Auch die Schweiz hat sich dadurch von einem Armenhaus zu einem reichen Industriestaat entwickelt.

Welche Kritik ist für Sie zulässig?

Die Weltbank hat beispielsweise während vielen Jahren Staudamm- und Energieprojekte finanziert, die aus ökologischer und humanitärer Sicht äusserst fragwürdig sind. Durch den verstärkten internationalen Handel wächst der Verkehr. Die von Weltbank und IWF verordneten wirtschaftspolitischen Rezepte haben sich in einigen Entwicklungsländern als kontraproduktiv erwiesen. Allerdings darf man nicht das Kind mit dem Bad ausschütten. Emprische Analysen belegen beispielsweise, dass Wirtschaftswachstum, Welthandel und Demokratisierung in vielen Bereichen den Umweltschutz begünstigen. Insgesamt bringt die Globalisierung mehr Vor- als Nachteile, für reiche und für arme Staaten.


Fussnoten:
(1) "ETH Life"-Bericht über die Rede von WEF-Gründer Schwab an der ETH: www.ethlife.ethz.ch/articles/Schwab.html
(2) "ETH Life"-Bericht über die Proteste von Globalisierungs-Kritikern an der ETH: www.ethlife.ethz.ch/articles/Krawall.html
(3) Website des WEF und des „Open Forums“ in Davos: www.weforum.org
(4) Website der Gegen-Konferenzen in Zürich: www.otherdavos.net und in Davos (Public Eye): www.evb.ch/index.cfm?folder_id=111
(5) Rezensionen zu Bernausers Buch “Staaten im Weltmarkt": www.amazon.de



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!