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Rubrik: Tagesberichte |
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Wurzelforschung: Dem Unbekannten mit moderner Technik auf der Spur Underground-Video bringts ans Licht |
Experten aus aller Welt werden am 7. Dezember über den Aufbau und die Funktion des Wurzelsystems, über dessen Wechselwirkung mit der Umwelt und dessen Rolle in der Landwirtschaft referieren. An diesem Symposium des Kompetenzzentrums für Pflanzenwissenschaften der ETH und Universität Zürich, das jedes Jahr zu einem bestimmten Thema durchgeführt wird, werden auch eigene Projekte präsentiert, so zum Beispiel eine weltweit neue, sogenannte Rhizo-Lysimeteranlage. Die Arbeiten, welche die im Kompetenzzentrum für Pflanzenwissenschaften (1) arbeitenden Gruppen von ETH, Uni Zürich und Basel präsentieren, decken ein breites Feld der Forschung in den Pflanzenwissenschaften ab - von der molekularen Biologie bis zur Ökologie, von der Biologie der Kulturpflanze bis zur Systematik. Die Agronomen Alberto Soldati und Markus Liedgens knien sich in der Versuchsstation Eschikon-Lindau, seit Jahren in die Erforschung des Einflusses von Wurzeln auf die Produktivität der Pflanzen. Soldati erklärt: "Auf diesem Gebiet arbeiten wir nicht allein. Hier sind mehrere Gruppen tätig und trotzdem sind Forschungsarbeiten mit Wurzeln nicht so bekannt wie andere Themengebiete in den Pflanzenwissenschaften." Aus diesem Grunde, sei die Wurzelforschung unter der Ägide von Professor Peter Stamp (2) auch als Thema des diesjährigen Symposiums (3) erkoren worden. Auf dem Weg ins Unbekannte Bisher standen in der Wurzelforschung Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis. Die Arbeit war - und ist es auch heute noch teilweise - mühsam, sind sich die beiden Wissenschaftler einig. Nach bisher angewandter Methode, werden die Wurzeln ausgegraben, gewaschen und anschliessend analysiert. Vereinfacht wird heute die Arbeit, indem ein Bohrgerät eingesetzt wird, bei dem die Bodenprobe direkt in eine Hülse aus durchsichtigem Kunststoff mit einem Durchmesser von 5 bis 8 Zentimetern und einer Länge bis zu einem halben Meter gelangt. Werden der Bohrmaschine Steine "in den Weg gelegt", muss eine neue Bohrung vorgenommen werden und die Arbeit verlängert sich entsprechend. Anschliessend wird der Bohrkern mit einer speziellen Wurzelwaschmaschine ausgewaschen, und die Wurzel werden in einer Alkohollösung gelagert. Zur Untersuchung wird das übrig gebliebene Wurzelmaterial später auf einer Glasscheibe ausgebreitet und mit einem Scanner abgebildet. Anhand dieser Bilder werden schliesslich mit Hilfe einer neu - in Zusammenarbeit mit der Gruppe des ehemaligen ETH Professors Guido Gerig (4) - entwickelten Software Länge, Oberfläche, Durchmesser und Durchmesserklassen jeder einzelnen Wurzel bestimmt. Diese detaillierte Information wird zur Unterscheidung von Wurzeln und Verunreinigungen genutzt, womit der Arbeitsaufwand für die Bearbeitung einer einzelnen Probe stark reduziert wird.
Schwerpunkt der Forschung ist die Untersuchung von Wurzelwachstum und Wurzelmorphologie von Ackerfrüchten - hauptsächlich Mais und Weizen. "Heute geht es bei der Wurzelforschung nicht mehr um das Ziel, Erträge zu steigern, sondern darum, Produktionssysteme zu stabilisieren und die Ertragsleistung mit neuen Methoden zu sichern", betont Alberto Soldati. Dabei interessiere den Agronomen zum Beispiel das Konkurrenzverhalten von Pflanzenwurzeln im Boden, der Einfluss von Bodenverunreinigungen auf das Wurzelsystem, der Einfluss von zuviel oder zuwenig Wasser oder Nährstoffen, neue Anbaumethoden sowie die Entwicklung neuer ökologischer Produktionssysteme. Diese Forschungsarbeiten werden nicht nur auf hauseigenem Gebiet betrieben, sondern auch mit praktischer Unterstützung von Landwirten. Dadurch kann gleich an Ort und Stelle das Ergebnis im Feldversuch überprüft werden. Endoskopisches Beobachtungssystem entwickelt Die Wissenschaftler haben 1993 in Eschikon ein endoskopisches Beobachtungssystem (Minirhizotrone) in Betrieb genommen, das es ihnen ermöglicht, die quantitativen Eigenschaften der Wurzeln an Ort und Stelle zu beobachten. Alberto Soldati und Markus Liedgens erklären das Vorgehen: In den zu untersuchenden Boden, der sich in einem fast zwei Kubikmeter grossen Behälter befindet, werden auf verschiedenen Niveaus Plexiglasröhren eingeführt. In diesen Röhren lässt sich mit einer speziellen Kamera mit einem Durchmesser von 52 Millimetern das Wurzelwachstum verfolgen.
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Die mit kleinen Lichtquellen bestückte Kamera filmt Wurzeln in einem Bildausschnitt von 13 mal 18 Millimetern. Zum System gehören neben der Kamera aber noch ein Indexierungssystem und ein Camcorder zur Kontrolle und Speicherung der Bilder auf Band. Mit dem Indexsystem wird die Position der Kamera in den Röhren festgestellt und auf dem Bild festgehalten. Damit ist es möglich, immer wieder an der selben Stelle Aufnahmen zu machen und die Entwicklung der Wurzeln über einen bestimmten Zeitraum zu verfolgen. Über den Computer können die per Video produzierten (Minirhizotron-) Bilder digitalisiert, bearbeitet und präziser ausgewertet werden. "Damit ist der mühselige, sehr subjektive Augenvergleich von Bildern vorbei", atmet Markus Liedgens auf.
Eine Modellanlage bewährt sich In Eschikon-Lindau steht seit fast zehn Jahren eine Rhizo-Lysimeteranlage (5), wie sie Soldati und Liedgens nennen. Sie besteht aus 48 isolierten Behältern mit einer Grundfläche von einem auf einem Meter und einer Höhe von 1,6 Metern. Auf eine etwa 20 Zentimeter hohe Sickerschicht wurden die Container bis zur Oberkante mit Erde aufgefüllt. Damit die unteren Bodenpartien im Winter nicht einfrieren, wurde eine elektrische Heizung, zur Erfassung von Bodenwassergehalt, Zusammensetzung der Bodenlösung und der Bodentemperatur wurden Messinstrumente eingebaut. Zudem kann das Sickerwasser jedes einzelnen Rhizo-Lysimeters für Analysen gesammelt werden. Dank der Minirhizotrontechnik und der zehn in jedem Container horizontal und in verschiedenen Tiefen plazierten Plexisglasröhren kann über die Kameras das Wurzelwachstum unter den unterschiedlichsten Bedingungen verfolgt werden. Dies ist eine Voraussetzung um die Bedeutung des Wurzelsystems in Abhängigkeit von agronomischen Verfahren (z. B. Fruchtfolgen, Anbausysteme, Nährstoffeffizienz) zu erfassen. Im Klartext heisst dass, jetzt können pro Woche rund 7200 Bilder verglichen und damit Trends einer Saison ausgemacht werden. Und auf diese Weise habe man bereits eine ganz klare Aussage treffen können - so Liedgens: "Mais verträgt für eine gesunde Entwicklung keine starke Konkurrenz wie sie zum Beispiel italienisches Raigras in der Maiswiese verursacht."
Es gibt aber noch viele offene Fragen zu lösen, bekennen die beiden Wissenschaftler, auch wenn sie ein einzigartiges System für die Wurzelforschung entwickelt haben. Jetzt versuchen sie, dieses neue System zu optimieren. |
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Fussnoten:
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