|
Rubrik: Tagesberichte |
English Version Print-Version |
Ein neues Gesetz fordert barrierefreie Webseiten, auch an Hochschulen. Hürdenlauf im Internet |
Seit Beginn dieses Jahres fordert ein neues Bundesgesetz barrierefreie Webseiten. Doch die Webseiten der Schweizer Hochschulen weisen noch zahlreiche Hürden auf. Ein Workshop will Lösungen aufzeigen. „Image, Image, Image“, schnarrt die Roboterstimme des Sprach-Browsers Jaws. Überdesignte Websites sind oft kein „Klick zum Genuss“ für den blinden Surfer, der bei fehlenden Textalternativen für Navigationsgrafiken auch inhaltlich im Dunkeln tappt. Barrieren auch für Suchmaschinen "Ausgerechnet im World Wide Web, das angetreten war, Grenzen zu überwinden, werden Tag für Tag neue Barrieren aufgebaut", beklagt sich Christian Schmutz auf der Accessibility-Website einfach-fuer-alle.de. Barrieren wie kunstvolle Flash-Animationen oder einfach nur unbeschriftete Navigationsgrafiken betreffen aber nicht nur Senioren und Menschen mit Behinderungen, sondern auch Suchmaschinen und Nutzer von Mobilgeräten. Problematisch ist der Ausschluss dieser Internet-Nutzer darum, weil die Kommunikation in unserer heutigen Informationsgesellschaft zunehmend über das Medium Internet verläuft. Immer mehr Informationen und Dienstleistungen sind bereits heute nur via Internet zugänglich. Bei vielen Bank- und Postdienstleistungen bezahlt man am Schalter happige Aufpreise, sofern sie dort überhaupt noch angeboten werden. Zukünftig werden wohl vermehrt auch staatliche Dienste wie Behördengänge, Aus- und Weiterbildungen, sowie Abstimmungen und Wahlen übers Internet abgewickelt. ETH-Webseiten müssen barrierefrei sein Dies war einer der Gründe, warum der Schweizer Gesetzgeber seit Beginn dieses Jahres im Behindertengleichstellungsgesetz und der dazugehörigen Verordnung (1) vorschreibt, dass Dienstleistungen des Bundes übers Internet für Sprach-, Hör- und Sehbehinderte sowie motorisch Behinderte zugänglich sein müssen. Da die ETH eine Bundesinstitution ist, gilt diese Regulierung gemäss Auskunft der Rechtsabteilung auch für alle ETH-Websites. Ein halbes Jahr nach Inkraftsetzung des neuen Gesetzes besteht - nach einem ersten Augenschein - im Uni- und ETH-Web noch einiger Nachholbedarf. Dies diente den Web Offices von ETH und Uni als Aufhänger, ihren diesjährigen WWW-Workshop ganz dem Thema "Accessibility" zu widmen. Während eines Nachmittags werden Webdesigner und -redaktoren für das Thema „zugängliches Webdesign“ sensibilisiert. Zudem gibt es in einem zweiten Teil aber auch praktische Tipps und Tricks, wie die Barrieren einer Website gefunden, eliminiert und an die neue Gesetzgebung angepasst werden können (siehe Kasten unten rechts). Accessibility-Officer überprüft Internet-Hürden Einer, der diese Erfahrung vor einigen Monaten machte, ist Ralph Mrowietz vom ETH Web Office. "Der Design-Prozess verläuft um einiges einfacher, wenn man Zugänglichkeits-Aspekte bereits zu Beginn eines Projektes mit einbezieht", fasst er seine Erkenntnisse aus dem Projekt "IDEA-League" zusammen, in dem er eine Website für die strategische Allianz von vier führenden europäischen Hochschulen entwickelte. (2) Der Webauftritt für die Hochschul-Liga musste nachträglich an die britische Behinderten-Gesetzgebung angepasst werden, die den Universitäten für ihre Webauftritte strenge Vorschriften auferlegt. Dazu wurde extra ein englischer Accessibility-Spezialist eingeflogen, der durch die Anpassungsarbeiten sein Know-how aufs ETH-Team übertrug. Mrowietz erfuhr, dass im angelsächsischen Raum die Kultur der Barrierefreiheit gegenüber Kontinentaleuropa um einiges voraus ist. "An unserer Partner-Uni, dem Imperial College, gibt es sogar einen eigenen Accessibility-Officer, der alle Tätigkeiten der Uni auf Barrierefreiheit überprüft", bemerkt Mrowietz beeindruckt. Grund für den Vorsprung der Angelsachsen ist unter anderem auch die frühzeitige Verankerung der Barrierefreiheit in der nationalen Gesetzen von Grossbritannien und den USA, dort beispielsweise bereits 1998 im Annex zur Section 508 des Rehabilitation Acts (3). Eine andere treibende Kraft auf internationaler Ebene ist die bereits 1997 gestartete Web Accessibility Initiative (WAI) der Web-Standardisierungs-Organisation W3C. (4) Zwei Jahre später veröffentlichte die Organisation die noch heute als weltweiter Accessibility-Standard geltenden WCAG-Richtlinien. Zunahme nichtlateinischer Internet-Nutzer Da heute mit den aufstrebenden Märkten im Osten immer mehr Menschen mit nichtlateinischen Schriftzeichen ins Internet drängen, wird ein weiterer Aspekt der Barrierefreiheit sichtbar: die Internationalisierung. Accessibility und der Umgang mit arabischen, indischen, chinesischen und japanischen Schriftzeichen waren denn auch wichtige Themen beispielsweise an der diesjährigen WWW-Konferenz mitte Mai in New York. (5)
|
Englisch-Dominanz als Sprach-Barriere Die Schweizer Zugänglichkeits-Gesetzgebung und deren Umsetzung hinke der Amerikanischen um einige Jahre hinterher, erklärte ein Konferenzteilnehmer. Doch die internationalen Standards und Werkzeuge sind oft nur in Englisch erhältlich. "Das ist bedauerlich, bildet doch gerade die Englische Sprache selbst auch eine Barriere für den Grossteil der Weltbevölkerung", bemerkte Shawn Henry von der Education and Outreach Working Group in einer Konferenzpause. "Ich würde es begrüssen, wenn sich mehr Leute an der Übersetzung unserer Standards und Werkzeuge beteiligen." Doch aufgrund knapper Finanzen könne sich ihre Gruppe praktisch ausschliesslich auf ehrenamtlich Tätige stützen, was Umsetzungen oft verzögere. Wachsender Markt für Barriere-Beseitigung Daher fördert ihre Gruppe nach Möglichkeit auch lokal organisierte Initiativen, Organisationen und Projekte, welche die Umsetzung nationaler Behindertengleichstellungsgesetze vorantreiben. Lokale Aktivitäten in der Schweiz sind beispielsweise die Stiftung "Zugang für alle" oder Projekte wie "Design for all" und der Web-Aspekt der kürzlich fertig gestellten Nationalfonds-Studie über "Menschen mit Behinderungen an Schweizer Hochschulen".(6) Zusätzlich gebe es aber auch immer mehr Webdesign- und Usability-Firmen auf dem aufstrebenden Markt der Barriere-Beseitigung in bestehenden Websites, beobachtet Mrowietz vom Web Office. Guter Zugang dient allen Doch beim Stichwort Barrierefreiheit geht es für Mrowietz nicht nur um Zugang für Behinderte, sondern auch um Suchmaschinen oder Benutzer von Mobilgeräten wie Handys mit Webbrowsern. Generell findet Mrowietz: "Eine barrierefreie Website ist für jeden Surfer einfacher zu gebrauchen!"
|
|||||||||||||||||||||
Literaturhinweise:
Fussnoten:
Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen. |