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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 10.10.2003 06:00

Konferenz zu Biodiversität und gentechnisch veränderten Pflanzen
Ein weites Feld

Den Einfluss von gentechnisch veränderten Pflanzen auf die Biodiversität diskutierten Mitte September Wissenschaftler an einer Konferenz in Ascona. Eindrücke von den Diskussionen und ein Rückblick mit einer Mitorganisatorin.

Von Christoph Meier

„Die Absenz von Evidenz eines Schadens ist keine Evidenz für eine Schadensabsenz.“ – Dieser mahnende Satz steht in einem Report zuhanden der Englischen Regierung, der im Juli dieses Jahr publiziert wurde und sich mit gentechnischen Nutzpflanzen und Nahrungsmitteln befasst (1). Könnte dieser Satz auch für Auswirkungen von transgenen Pflanzen auf die Biodiversität gelten? Oder ist da bereits Evidenz für Schäden vorhanden?

Eine Standortbestimmung zu diesem Thema versuchte die Konferenz „Biodiversity Implications of Genetically Modified Plants“ zu machen, die Mitte September auf dem Monte Veritá in Ascona stattfand. Mitorganisatorin war Angelika Hilbeck vom Geobotanischen Institut der ETH. Wichtige Erkenntnisse des Anlasses sind für die ETH-Agrarökologin, dass es keine dramatische Bedrohung gibt – die berühmte „Smoking gun“ sei auch gar nicht erwartet worden -, doch auch eine Entwarnung wäre nicht angebracht. „Es gibt Hinweise in alle Richtungen, und erfreulicherweise nimmt die Datenmenge an Qualität und Quantität international langsam zu“, so Angelika Hilbeck. Der Umstand, dass es fast keine Langzeitstudien über drei Jahre gibt, lässt viele Ökologen zur Vorsicht mahnen. „Wenn Effekte bei transgenen Pflanzen im Feld beobachtet werden, dann manifestieren sie sich zunächst in kleinen Abweichungen mit grosser Bandbreite“, erläutert Hilbeck weiter. Jetzt den Schluss zu ziehen, dass kleine Effekte nicht wichtig seien, könnte aber fatal sein. Eine offene Frage ist nämlich, in welchen Fällen sich ein kleiner Effekt zu einem grossen auswachsen könnte, oder eben vernachlässigbar bleibt.

Konstruktive Diskussionen

Offen war auch die Stimmung an der Tagung. Obwohl die Spannbreite der Vertreter von der Agroindustrie bis zu den Umweltschutzorganisationen reichte, zeigten sich die Teilnehmenden konstruktiv und kollegial – etwas das an Konferenzen mit dieser Thematik nicht als selbstverständlich erachtet werden darf, wie einige Teilnehmende meinten. Als Beispiel für das Gelingen der Konferenz führt Angelika Hilbeck an, dass sich Vertreter und Vertreterinnen von Firmen und Umweltorganisationen in gelöster Atmosphäre neben dem offiziellen Programm ausgiebig unterhielten.

Der Vielfalt der Teilnehmenden entsprachen auch die Vorträge. Ein Forscher aus Alabama präsentierte eine Studie, an der auch der Agrarproduktekonzern Monsanto beteiligt war. Das Resultat war, dass die untersuchten Gliederfüsser in Baumwollfeldern mit Pflanzen, die das Bt-Transgen enthielten, gleich gut überlebten wie in Feldern mit konventioneller Baumwolle. Wurden aber in diesen Feldern Insektizide eingesetzt, um schädliche Schmetterlinge zu kontrollieren, dann sank auch die Anzahl der Gliederfüsser. Auch in weiteren Vorträgen kam zur Sprache, dass verschiedene transgene Pflanzen für die untersuchten Tierarten ein besseres Umfeld bieten, wenn man sie mit ihrem konventionellen Gegenpart vergleicht, der mit Pestiziden behandelt wird.

Dagegen fand eine Forscherin bei wilden Sonnenblumen heraus, dass ein Bt-Transgen übertragen von einer transgenen Nutzsorte einen effektiven Frassschutz darstellt. Das Transgen sei somit ein selektiver Vorteil und die wilden Sonnenblumen, die es enthalten, würden sich wahrscheinlich in der Wildpopulation ausbreiten, vermutete die amerikanische Wissenschaflerin. Sie war zudem nicht die einzige, die Hinweise fand, dass transgene Pflanzen sich mit ihren wilden Verwandten mischen und diesen durchaus auch überlegen sein können.

Biodiversität war an der Konferenz auch ein Thema in bezug auf Methodik und Regelungen. Ein Vortragender wies beispielsweise darauf hin, dass bezüglich der Biodiversität kein generell anwendbarer Index vorhanden sei.


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Auf dem Monte Veritá bei Ascona versuchten Forschende, sich einen Überblick über den Einfluss von transgenen Pflanzen auf die Biodiversität zu verschaffen. gross

Respekt vor anderen Kulturen und Auffassungen

Die Konferenz zeigte auch, dass im Gebiet von transgenen Organismen eine Diversität von kulturellen Werten und Meinungen aufeinander trifft. Ist für den einen die Integrität eines Genoms eine wichtige Grösse, erachtet ein anderer den Begriff als hinderliches Konstrukt. Für Angelika Hilbeck ist es selbstverständlich, dass Wertvorstellungen in solche Diskussionen einfliessen. Sie ist der Auffassung, dass es diese zu respektieren gilt. Es sei zum Beispiel ein vielschichtiges Problem, wenn sich traditionell angebauter Mais ohne das Wissen und die Einwilligung der einheimischen Indianer mit transgenen Maispflanzen vermische. Da sei auch das Argument, die DNA vom Transgen unterscheide sich von der Zusammensetzung her nicht von anderer DNA, zu schwach und reduktionistisch gedacht. Gleichmassen müsse man auch respektieren, wenn eine Kultur aus religiöser Haltung das Gen eines Tieres in einer Pflanze nicht akzeptiere.

Hilbeck und anderen Ökologen geht es beim Schutz des traditionellen Anbaus nicht nur um Achtung vor den einheimischen Züchtern. Um Vielfalt zu erhalten, ist es nötig, dass möglichst viele Sorten weiter gepflegt und entwickelt werden – und zwar in ihren traditionellen Anbausystemen. Denn Biodiversität sei als etwas Dynamisches zu begreifen und könne darum nur erhalten werden, wenn die Organismen auch noch in der Umwelt vorkommen. So gesehen können Gendatenbanken nicht genügen.

Mehr Risikoforschung

Gibt es zur Zeit aber einen sinnvollen Einsatz transgener Nutzpflanzen? Hilbeck überlegt und antwortet, dass sie bis jetzt noch nicht viele sinnvolle transgene Nutzpflanzen in der Landwirtschaft kenne – vielleicht geht der eine oder andere Ansatz in die richtige Richtung, aber sicher keiner bei den heute kommerziell angebauten transgenen Nutzpflanzen. Die bis jetzt mit dieser Methode angegangenen Probleme wären für sie auch anders lösbar, denn die meisten seien durch eine unkluge Agrarpolitik zustande gekommen, die zu unökologischen Anbaumethoden führe. Grundsätzlich müsse man bei den Nutzpflanzen die dahinter stehenden Subventions- und Vermarktungssysteme überprüfen und nicht weiterhin Symptombekämpfung - früher mit Chemie, heute mit Gentechnik - machen. Wenn das einmal geschehen sei, dann könne man sich durchaus über den sinnvollen Einsatz gentechnischer Nutzpflanzen unterhalten.

Da aber im Moment sicher weiterhin gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, waren sich die Konferenzteilnehmer einig, dass es gelte, diese von Fall zu Fall neu zu beurteilen. Viele plädierten dafür, dass zusätzlich die Risikoforschung verstärkt werden müsse, insbesondere um ökologische und evolutionäre Langzeitwirkungen zu untersuchen. Findet diese Aufforderung Gehör, dann wird vielleicht die Forschung mit gentechnischen Pflanzen auch der Forderung des Philosophen Hans Jonas gerecht. Dieser schrieb nämlich 1979 im Buch „Das Prinzip Verantwortung“, dass es eine Pflicht sei, sich stets die Vorstellung von möglichen Fernwirkungen zu beschaffen.


Fussnoten:
(1) GM SCIENCE REVIEW FIRST REPORT: www.gmsciencedebate.org.uk/report/pdf/gmsci-report1-full.pdf



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