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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 25.11.2003 06:00

Neue Biokatalysatoren: der Natur abgeschaut
Evolution im Reagenzglas

Wissenschafter des Laboratoriums für Organische Chemie der ETH Zürich versuchen, die molekularen Abläufe von Katalysatoren zu verstehen und zu optimieren. So genannte evolutionäre Strategien wenden sie bei der Erforschung der Chorismat-Mutase an. Die Evolution wird dabei gezielt gesteuert, die Selektion vorangetrieben.

Von Michael Breu

Charles Darwin hätte wahrscheinlich seine grösste Freude daran: Sein Begriff der Evolution, der stammesgeschichtlichen Entwicklung der Lebewesen von niederen zu höheren Formen, wird heute nicht nur in der Biologie verwendet. Auch die Chemie hat die Evolution entdeckt. Das Team um Donald Hilvert, Professor am Laboratorium für Organische Chemie der ETH Zürich, untersucht mit evolutionären Strategien die molekularen Abläufe von selektiv wirkenden Katalysatoren (1). Für die ETH-Forscher von Interesse ist die Chorismat-Mutase der Bakterien Escherichia coli und Bacillus subtilis sowie einer mutierten Form der Bäckerhefe. Die Chorismat-Mutase ist ein Enzym, welches im Stoffwechsel für die Umsetzung von Chorismat in Prephenat verantwortlich ist; chemisch gesprochen findet eine Claisen-Umlagerung über einen sesselförmigen Übergangszustand statt.

Mit Hilfe von Design, Mutagenese und in vivo Selektion wurde eine homodimere Chorismat-Mutase des Bakteriums Escherichia coli in ein hochaktives monomeres Enzym umgewandelt. gross

Im Labor von Donald Hilvert untersuchten die Chemiker in einem ersten Schritt, welche Aminosäuren des Chorismat-Mutase-Enzyms für seine Funktion unentbehrlich sind, heisst es im neusten „Molekül-Mix“ (2) des ETH-Departements Chemie und Angewandte Biowissenschaften. Dafür wurden verschiedene Molekülteile aus dem Enzym entfernt oder umstrukturiert. „Mit Hilfe der Selektionsmethoden konnten tatsächlich weitere Vereinfachungen erzielt werden. Die ursprünglich aus zwei Teilen bestehende Chorismat-Mutase konnte in einen


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Massgeschneiderte Biokatalysatoren: Das Molekül katalysiert Diels-Alder-Reaktionen. gross

kleineren, einteiligen Katalysator umgewandelt werden, ohne seine Funktionsfähigkeit zu verlieren.“

Um dies zu erreichen, haben die Forscher die Quartärstruktur verändert indem sie eine „flexible Schleife“ einfügten. Solche „Scharniere“ spielen für die Festlegung der räumlichen Ordnung eine wichtige Rolle. Obwohl Reste beider Peptidketten die aktiven Bindungsstellen während der Umsetzung der Chorismat-Mutase bilden, ermöglichte das „Scharnier“ eine Rückfaltung auf sich selbst. Dabei ersetzte es das zweite Polypeptid vollständig.

Gleichzeitig fanden die Forscher heraus, welche Stellen im Enzym für die Aktivität absolut notwendig sind und wo Veränderungen bedeutungslos bleiben. „Es konnte festgestellt werden, dass bestimmte Strukturen zwar nicht beteiligt sind, aber gleichermassen zur Stabilisierung der Bindung des Substrates und des enzymatischen Übergangszustandes beitragen“, heisst es im „Molekül-Mix“. Insgesamt genügen neun der 20 verschiedenen Aminosäuren, um die Aktivität der Chorismat-Mutase zu erhalten. In gleich zwei Publikationen berichten die Forscher um Donald Hilvert im Journal of the American Chemical Society über ihre Erfolge(3).

Ebenfalls auf evolutionären Strategien beruhen künstlich hergestellte Enzyme. „Prinzipiell wenden wir für unsere Ziele die drei Schritte Mutagenese (Veränderung), Selektion (Auswahl der besten Varianten) und Vervielfältigung an“, sagt der ETH-Chemieprofessor gegenüber der Zeitschrift „Molekül“ (Ausgabe 4/2002). Donald Hilvert und Johannes Bartek von der ETH Zürich, Jian Xu und Ian A. Wilson vom Scripps Research Institute in La Jolla sowie Qiaolin Deng, Jiangang Chen und Kendall N. Houk von der University of California at Los Angeles haben vor vier Jahren in der Zeitschrift „Science“ eine solche „gerichtete Evolution“ und das daraus entstandene Produkt beschrieben (4); das Enzym kann im Labor verwendet werden um Diels-Alder-Reaktionen zu katalysieren. „Antikörper-Katalysatoren sind zwar noch relativ primitiv, verglichen mit den im Laufe der Evolution hoch entwickelten Enzymen. Sie eignen sich aber sehr gut als Werkzeuge für chemische Umwandlungen, welche mit existierenden Mitteln oder mit natürlichen Enzymen nicht durchführbar sind“, findet Donald Hilvert in der Zeitschrift „Molekül“.


Literaturhinweise:
Zum gleichen Thema ist in ETH Life vom 1. November 2002 der Bericht “Chemie und Medizin“ erschienen: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/chemieforumzwei.html

Fussnoten:
(1) Laboratorium für Organische Chemie, „The Hilvert Lab“: http://www.protein.ethz.ch
(2) Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften, „Molekül-Mix“: www.chab.ethz.ch/information/publicrelations/publikationen/molmix/mm04/MM4_Hilvert.pdf
(3) Selective Stabilization of the Chorismate Mutase Transition State by a Positively Charged Hydrogen Bond Donor, JACS, 2003, 125: 3206-3207; Charge Optimization Increases the Potency and Selectivity of a Chorismate Mutase Inhibitor, JACS, 2003, 125: 5598-5599
(4) Evolution of Shape Complementary and Catalytic Efficiency from a Primordial Antibody Template, Science, 1999, 286: 2345-2348



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