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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 25.03.2004 06:00

Proteomanalyse der Ackerschmalwand-Chloroplasten
Die Eiweisse der grünen Organelle

Die Chloroplasten der Pflanzen sind für zahlreiche essentielle Biosyntheseleistungen verantwortlich. ETH-Forscher liefern nun eine umfassende Analyse der Proteine dieser Zellorganelle. Dabei stiessen sie auf viele Proteine, deren Funktion unbekannt ist und die man nicht in Chloroplasten erwartet hätte. Darüber hinaus gibt die Arbeit Einblicke in Regulationsmechanismen, welche die Konzentration der Eiweisse im Chloroplasten bestimmen.

Von Christoph Meier

Die Nahrung, die wir zu uns nehmen, und der Sauerstoff, den wir atmen, können zurückverfolgt werden zu den Chloroplasten. Denn in diesen Organellen der Pflanzenzellen finden die grundlegenden Prozesse der Photosynthese und der Kohlenstofffixierung statt. Chloroplasten kommen in allen grünen Pflanzenteilen vor, am häufigsten in den Blättern. Ein Quadratmillimeter eines Blattes enthält bis zu einer halben Million Chloroplasten.

Entwicklungsbiologisch liegt der Ursprung der Zellorganelle bei den Cyanobakterien. Diese wurden von einer Pflanzen-Vorläuferzelle aufgenommen und existierten in dieser als so genannter Endosymbiont weiter. Obwohl auch Chloroplasten noch Erbinformationen enthalten, wurde der Grossteil der bakteriellen Erbinformation in den Zellkern transferiert. Das ist der Grund, wieso bis heute nicht geklärt werden konnte, wie viele Proteine in den Zellorganellen tatsächlich vorhanden sind. ETH-Forscher um Sacha Baginsky vom Institut für Pflanzenwissenschaften (1) haben nun in einer kürzlich erschienenen Studie (2) eine umfassende Proteinzusammenstellung der Chloroplasten vorgelegt.

Vielfach aufgetrennt

Für ihre Proteomanalyse analysierten die Forscher Chloroplasten, die sie aus siebenwöchigen Pflanzen der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) gewonnen hatten. Die grünen Zellorganellen wurden in verschiedene Strukturen unterteilt, beispielsweise die Flüssigkeit im Innern oder die verschiedenen Membransysteme. In mehreren Schritten trennten die Forscher die Proteine der verschiedenen Strukturen aufgrund ihrer unterschiedlichen Eigenschaften wie Ladung oder Grösse auf. Das führte schliesslich zu mehr als 300 Fraktionen. Baginsky erläutert, dass dieses „aufwändige Aufdröseln“ nötig gewesen sei, um die Chance zu erhöhen, auch gering konzentrierte Proteine zu finden. Die unterschiedlichen Proteine wurden abschliessend mit Hilfe der Massenspektrometrie identifiziert.

Überraschend viele Unbekannte

Doch wie viele Proteine gibt es nun in Chloroplasten? Die ETH-Forschenden konnten 690 Eiweisse unterscheiden. Die meisten von ihnen kommen in bekannten Proteinkomplexen und Stoffwechselpfaden wie der Kohlenstofffixierung oder dem photosynthetischen Elektronentransport vor. Doch bei mehr als 30 Prozent der identifizierten Eiweisse konnten die ETH-Forscher keine Funktion zuordnen. Zudem fand man überraschend viele Proteine, die man aufgrund von Computervorhersagen, nicht in den Chloroplasten erwartet hätte.

Baginsky erläutert, dass die 690 Proteine wahrscheinlich nur eine Standardausrüstung für die Zellorganelle darstellen würden. Grundsätzlich seien noch viel mehr zu erwarten. Suche man in Datenbanken nach einer typischen Signalsequenz für die Chloroplasten, so komme man auf über 3500 Kandidatenproteine. Da aber immer nur ein Teil von diesen für ein bestimmtes Entwicklungsstadium benötigt werden, finde man auch entsprechend weniger Proteine .


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Licht führt dazu, dass aus einem Etioplasten (links) ein Chloroplast werden kann. (Bilder: T. Kleffmann). gross

„In silico“ genügt nicht

Trotzdem gibt es die erwähnten Eiweisse, deren Präsenz im Chloroplasten die Forscher überrascht. Das hängt damit zusammen, dass nicht alle Chloroplastenproteine auch die Signalsequenz enthalten. Das demonstriere die Beschränktheit der „in silico“-Analyse, so Baginsky. Denn um alle Eiweisse eines Zellorganelles zu erfassen, genügt es nicht, wenn der Computer einfach stur nach der Signalsequenz suche. Die ETH-Forscher sehen in ihrer Arbeit einen ersten Schritt, um eventuell noch andere Charakteristiken für Chloroplastenproteine zu finden als nur die Signalsequenz.

Verschieden reguliert

Baginsky und seine Kollegen analysierten aber die Eiweisse nicht nur qualitativ sondern auch quantitativ. Verglichen sie diese quantitativen Daten mit Messungen der dazugehörigen RNA-Menge, so ergaben sich grosse Unterschiede. Konnte beispielsweise für die Proteine der Aminosäuresynthese die Menge an RNA als Mass dafür genommen werden, wie stark das entsprechende Eiweiss im Chloroplasten vorkommt, stimmte dieser Zusammenhang für andere Stoffwechselwege überhaupt nicht. Damit fanden die Forscher einen weiteren Beleg dafür, dass in Chloroplasten die Konzentration der Eiweisse häufig nicht auf Stufe der Transkription reguliert wird.

Mehr Licht für Etioplasten

Ist die Chloroplastenanalyse von Arabidopsis auf andere Pflanzen übertragbar? Baginsky antwortet, dass man davon ausgehen könne. Es wäre eine Riesenüberraschung, wenn wichtige Chloroplastenfunktionen in irgendeiner Pflanze plötzlich an einem anderen Ort lokalisiert wären. Man könne aber nicht ausschliessen, dass im Zuge der Evolution einzelne Proteine die Fähigkeit erlangt haben, in die Chloroplasten einzuwandern. Eine Analyse der Proteinausstattung von Chloroplasten oder anderen Plastiden, die von evolutionär relativ weit entfernten Pflanzen stammen, könnte hier Aufschluss geben. Eine solche Pflanze stellt der Reis in Bezug auf die Ackerschmalwand dar.

Dem Reis sind auch zukünftige Projekte der Zürcher Forscher gewidmet. Dabei geht es aber nicht primär darum, „Proteinimmigranten“ in Chloroplasten zu finden. Anhand von Etioplasten des Reises wollen die Wissenschaftler vielmehr herausfinden, wie stark sich das Proteom dieser Plastiden verändert, nachdem diese verschieden lang dem Licht ausgesetzt wurden. Das gibt wiederum Aufschluss über die Chloroplasten, denn Etioplasten entwickeln sich in der Abwesenheit von Licht anstelle von Chloroplasten und können durch Belichtung relativ zügig in diese umgewandelt werden.


Fussnoten:
(1) Institut für Pflanzenwissenschaften: www.pb.ipw.biol.ethz.ch/
(2) T. Kleffmann et al. “The Arabidopsis thaliana Chloroplast Proteome Reveals Pathway Abundance and Novel Protein Functions”, Current Biology, Vol. 14, 354-362, March 9, 2004



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