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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 26.10.2004 06:00

Exkursion in Davos
Zauberberge und –blüten

Boden und Vegetation sind eng miteinander verbunden. Dies lässt sich sehr gut in den Alpen mit ihren vielen Extremstandorten aufzeigen. ETH Life begleitete die ETH-Exkursion „Flora, Vegetation und Böden der Alpen“ nach Davos. Eine nicht nur lehrreiche, sondern auch ästhetische Erfahrung.

Von Christoph Meier

„Am allerhöchsten liegt das Sanatorium Schatzalp dort drüben, man kann es nicht sehen. Die müssen im Winter ihre Leichen per Bobschlitten herunterbefördern, weil dann die Wege nicht fahrbar sind.“ Diese Sätze seines Vetters Joachim erstaunen Hans Castorp und verdichten die beunruhigende Stimmung zu Beginn des Romans „Der Zauberberg“ von Thomas Mann. Das Sanatorium Schatzalp wird zum Symbol der Bedrohung. Auch wenn heute das Gebäude mit seinem teilweise abblätternden Verputz, seinen Liegeterrassen und dem in weiss gehaltenen Frühstückssaal noch den Geist der kurgeschichtlichen Hochblüte im Landwassertal atmet, verbinden einige ETH-Angehörige nichts Morbides, sondern sehr vitale Erinnerungen mit dem Ort. Denn das Hotel Schatzalp war auch diesen Sommer wie bereits einige Jahre zuvor Ausgangspunkt der dreitägigen Exkursion „Flora, Vegetation und Böden der Alpen“ mit rund 40 Studierenden unter Leitung der ETH-Professoren Matthias Baltisberger und Ruben Kretzschmar (1).

Wer sucht, der findet: Exkursionsteilnehmer zählen Keimlinge in einer Serpentinithalde bei Davos gross

„Über dem Bach ist Afrika“

Die Tour an elf Standorte im subalpinen und alpinen Raum, gab erstaunliche Einblicke. Wenn sechs Personen aufgereiht und gebückt in Zeitlupentempo knapp zehn Meter eine Schutthalde aus Serpentinit-Gestein hochstiegen, war das keine Drillübung eines übermütigen Professors, sondern bedeutete ein botanisches Heureka: Nicht weniger als 140 Keimlinge fanden sich auf der auf den ersten Blick sterilen Fläche. „Über dem Bach ist Afrika“ ist auch nicht unbedingt ein Satz, den man in Davos gemeinhin zu hören erwartet. Doch brachte er bündig zum Ausdruck, woher das Grundgestein dort kommt, nämlich von der afrikanischen Platte, die bei der Alpenfaltung auf Europa prallte. Es gab aber auch interessante „tierische“ Begegnungen für die „Blumenstudierenden“. Auf einem schmalen Strässchen, das sich an die Flanke eines Tobels schmiegt, mussten sie am Morgen bei ihrem Weg hinauf in alpine Regionen zur Kenntnis nehmen, dass in den Bergen gelegentlich Rinder Vortritt haben und man einige hundert Meter zurückgehen muss.

Botanische Girlanden

Vorrang bei der Exkursion behielten aber Vegetation und Boden. Baltisberger wies beispielsweise im Gebiet des Schiawang auf rund 2300 Meter über Meer auf die treppenartige Bewachsung hin, die so genannte Girlandenbildung.


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Nicht nur eine Informationsquelle für Bodenkundler, sondern auch ein ästhetisches Vergnügen: ein Bodenprofil auf der Exkursion. (Bilder: Konrad Osterwalder) gross

Diese sei nicht die Folge von Viehbeweidung, sondern sie entstünde auf dem wenig Boden bildenden Gestein durch das wiederholte Auftauen und Gefrieren während der Vegetationsperiode und der daraus resultierenden Bewegung. Das Wurzelwerk der Pflanzen hält dabei immer gewisse Teile des Bodens zusammen, sodass ein Pölsterchen oder eben ein Treppenabsatz entsteht. Innerhalb einer solchen Girlande ist aber die Bewachsung nicht homogen, sondern entsprechend dem Mikroklima streifenförmig angeordnet. Es wurde aber auch auf andere Feinheiten aufmerksam gemacht. So genügt eine kleine Mulde, um den Bergföhren in einem für sie grundsätzlich geeigneten Gebiet das Leben schwer zu machen.

Vielfältige Sensibilisierung

Die Verknüpfung des reichen botanischen und bodenkundlichen Wissens – übrigens erstmals in einem aufwendig gestalteten Exkursionsführer zusammengefasst – war auch eine Demonstration in Ökologie. Diese blieb umso besser haften, da sie mit vielen Sinneseindrücken verbunden war. Die abgestuften Brauntöne eines Bodenprofils, erleuchtet durch das durch das Blätterdach dringende Sonnenlicht, die Schönheit einer Fliegenorchis im natürlichen Umfeld, oder der Vanillegeruch eines Männertreus können in keinem Lehrbuch als Lernstütze miteinbezogen werden. Doch es gab auch noch gedankliche Sensibilisierung: Dass ein artenarmer Fichtenwald oder ein über dem Richtwert liegender Säuregehalt durchaus einer natürlichen Situation entsprechen können, zeigt die Kontextabhängigkeit von Begriffen wie Biodiversität oder Bodenbelastung.

Wenn Fachwissen direkt am Ort gezeigt wird. Ruben Kretzschmar erläutert oberhalb Davos die Geologie. gross

Doch nicht nur die Dozierenden trugen zum Gelingen der Exkursion bei. Die Studierenden lieferten ihren Beitrag erst einmal durch ihr Interesse aber auch anhand von Kurzreferaten zu Themen wie Klimawandel oder der künstlichen Beschneiung von Skipisten. Aus botanischer Perspektive widerlegten die drei Tage Davos zudem zumindest den zweiten Teil der Aussage aus Thomas Manns „Zauberberg“: „Du siehst die Baumgrenze fast überall, sie markiert sich ja auffallend scharf, die Fichten hören auf, und damit hört alles auf, aus ist es.“


Fussnoten:
(1) Information zur Exkursion „Flora, Vegetation und Böden der Alpen“: www.ito.umnw.ethz.ch/SoilChem/davos/index.html



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