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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 13.12.2005 06:00

Entomologische Sammlung der ETH Zürich
Archiv der Artenvielfalt

Fast so alt wie die ETH selbst ist deren Entomologische Sammlung. Unter den zwei Millionen Insekten gibt es solche, die sich als biologische Kostbarkeiten entpuppen. Seit diesem Sommer kann man sie an einem neuen Standort bewundern.

Peter Rüegg

1907 fing Erwin Steinmann auf der Ebenalp im Alpstein eine Biene. Auf den ersten Blick kein aussergewöhnliches Tierchen. Er präparierte das Insekt und bestimmte es. Und dann verschwand die Biene in einem Insektenkasten der Entomologischen Sammlung der ETH Zürich.

Fast 100 Jahre später beugt sich Andreas Müller, heutiger Kurator der Sammlung, über das Binokular, untersucht das Tierchen für eine Revision der Gattung Osmia wieder – und entdeckt eine gänzlich neue Art, welche weltweit nur gerade von drei Stellen in den Schweizer Alpen bekannt ist. Diese erhält den wissenschaftlichen Namen Osmia steinmanni, benannt nach dem Entdecker, der nicht wissen konnte, welch eine Kostbarkeit er gefunden hatte.

Wertvolles Archiv der Biodiversität

"Die Entomologische Sammlung der ETH ist, wie das Beispiel der Biene zeigt, ein wertvolles Archiv der Biodiversität", sagt Kurator Andreas Müller. Die Sammlung ist voll in die Forschungsgruppe Angewandte Entomologie von Professorin Silvia Dorn integriert und wird von Wissenschaftlern innerhalb und ausserhalb der ETH häufig benutzt. Der Bienenspezialist ist selbst in einige aktuelle Forschungsarbeiten involviert, die auch auf das Material der Insekten-Sammlung zurückgreifen.

Interessiert ist er vor allem an Verwandtschaftsbeziehungen der Bienen-Arten sowie an der Frage, wie und weshalb sich diese Insekten im Lauf der Evolution auf bestimmte Pflanzen spezialisiert haben. Dabei helfen auch Pollenkörner. Diese kleben an den präparierten Bienen und sind auch nach Jahrzehnten des Aufbewahrens bestimmbar. Für die Klärung von Verwandtschaften setzen die Forscher eine Kombination von morphologischen und molekulargenetischen Methoden ein.

Die Sammlung liefert zudem wichtige Hinweise für den Naturschutz. Die Belege geben über einstige und heutige Vorkommen Auskunft; die Daten fliessen unter anderem in Verbreitungskarten oder Rote Listen ein. Diese Informationen könne man mit wenig Aufwand abrufen. „Feldarbeit zu betreiben, wäre viel aufwändiger“, gibt Müller zu bedenken.

Training für Feldarbeit

Auch als Trainingsfeld, um sich Artkenntnisse aneignen zu können, dient die Sammlung, Zurzeit arbeiten sich ein paar Forscher und Studierende in die Arten ein, die auf der Grünerle leben“, erklärt Müller. Ziel der Arbeit der Forschungsgruppe Angewandte Entomologie sei es herauszufinden, welche Insekten allenfalls als biologische Waffe gegen die auf Alpweiden wuchernden Grünerlen eingesetzt werden könnten.

Wer Insekten identifziert – das ist aufgrund der riesigen Artenfülle schwierig genug – kann sein Material hier mit schon bestimmten Belegen vergleichen. Zumindest für die Schweiz ist die Entomologische Sammlung repräsentativ und enthält alle hiesigen Libellen, Tagfalter, Wanzen sowie Bienen und Wespen. Vier von fünf Käfern sind ebenfalls vertreten, immerhin 6’000 Arten.

Guter Ruf im Ausland

Die ETH-Sammlung zieht Insektenkundler aus dem In- und Ausland an, weil die Kästen auch rund 4’700 sogenannte Typen enthalten. Diese sind Insektenbelege, an denen eine Art zum ersten Mal beschrieben wurde. Wer systematische Untersuchungen an Insekten vornimmt, kommt um eine Betrachtung dieser Typen nicht herum.


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Kurator Andreas Müller begutachtet Belege von Insekten in der Entomologischen Sammlung der ETH. gross

Gegen 100 Besucher aus der Schweiz und ganz Europa empfangen Müller und seine Mitarbeiterin Marion Schmid deshalb jährlich, und der Postverkehr mit anderen Institutionen oder Forschern ist rege. Dass dieses wertvolle Typen-Material auf der Post verloren geht oder zerstört wird, ist zwar möglich. Dennoch wird es verschickt. „Bisher haben wir nur gute Erfahrungen damit gemacht“, so Müller. Die Typen sind katalogisiert und auch im Internet abrufbar (1).

Fast 150 Jahre alt

Die Entomologische Sammlung ist beinahe so alt wie die ETH selbst. 1858, nur drei Jahre nach Eröffnung des Polytechnikums, schenkte der Naturforscher Heinrich Escher dem Poly seine Sammlung, und der Bundesrat beschloss hochoffiziell, diese der noch jungen Hochschule anzugliedern. „Das war quasi die Gründung der Sammlung“, sagt Müller. Mittlerweile umfasst die Sammlung, welche die drittgrösste ihrer Art in der ganzen Schweiz ist, rund zwei Millionen Belege, die in 6000 Insektenkästen aufbewahrt werden.

Diesen Bestand aufgebaut haben in erster Linie private Sammler mit Schenkungen. Zwei bis drei müssen pro Jahr in die Sammlung eingearbeitet werden. Demnächst treffen Bienen, Wespen und Hummeln, der Sammlung Nadig aus ein, die anfangs bis Mitte des 20. Jahrhunderts im Mittelmeerraum gesammelt worden sind. Sie „gesellen“ sich zu mehreren tausend Verwandten aus dem Mittelwallis, die das Sammelergebnis einer aktuellen Doktorarbeit sind.

Umzug für 2 Millionen Tierchen

Im Sommer wechselte die Sammlung ihren Standort – von einem Kellergeschoss des NW an der Clausiusstrasse in die oberste Etage des LFO an der Schmelzbergstrasse mit Aussicht über Zürich. Hier hat die Sammlung wieder genügend Platz um weiter anzuwachsen. Der Aufwand sei riesig gewesen, habe das ganze Sommerhalbjahr gedauert, doch habe es sich gelohnt. "Die guten Arbeitsplätze in nächster Nähe zur Sammlung bieten einen optimalen Rahmen für künftige wissenschaftliche Arbeiten", freut sich Müller.


Literaturhinweise:

Fussnoten:
(1) Liste der Typen unter: www.em.ipw.agrl.ethz.ch/index.php?section=entcollection&subs=types



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