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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 09.06.2005 06:00

Collegium Helveticum übernimmt den Ludwik-Fleck-Nachlass
Fleck-Zentrum

Das Collegium Helveticum ist neu im Besitz der Rechte am Nachlass des Mediziners und Wissenschaftstheoretikers Ludwik Fleck. Der Nachlassverwalter Marcus Klingberg hat diese Rechte dem Collegium angeboten, nachdem dieses verschiedene Veranstaltungen zum Werk Flecks durchgeführt hat. Neben den persönlichen und wissenschaftlichen Unterlagen umfasst der Nachlass auch die Unterlagen aus dem Archiv von Thomas Schnelle, der sich selbst eingehend mit dem Werk des Wissenschaftstheoretikers befasst hat. Geplant ist nun der Aufbau eines Ludwik Fleck Zentrums am Collegium.

Von Samuel Brandner

Seit dem 20. Mai steht neben der Monographie des Wissenschaftstheoretikers und Mikrobiologen Ludwik Flecks, „Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache“ auch der Ludwik-Fleck-Nachlass am Collegium Helveticum. In seiner Monographie, die 1935 im Schwabe Verlag in Basel erschienen ist, entwickelte Fleck eine ungewohnte Theorie der Wissenschaften. Aussergewöhnlich daran war vor allem, dass er soziologischen und historischen Momenten eine zentrale Bedeutung für die Genese wissenschaftlicher Erkenntnis beimisst. Damit ist auch die Verbindung zum interdisziplinären Collegium Helveticum klar. Beherbergt das Institut doch neben Naturwissenschaftern auch zahlreiche Geistes- und Sozialwissenschafter (1).

Ein Lebensweg der besonderen Art

Trotz zahlreicher Preise, die Fleck in Polen erhalten hat, ist die Wissenschaftsforschung erst in den 80er Jahren auf den Mikrobiologen aufmerksam geworden. Fleck hat in seinem Werk vieles vorweg genommen, worauf Thomas S. Kuhn in seiner bekannten Untersuchung zur Struktur wissenschaftlicher Revolutionen hingewiesen hat.(2). Geboren wurde Ludwik Fleck am 11. Juli 1896 in Lwow, dem damaligen Lemberg, wo er sich auch für das Medizin-Studium einschrieb. 1935 verfügte er über ein eigenes bakteriologisches Institut. Befasst hat er sich etwa mit Impfstoffen für Typhus-Kranke. Dazu hat er Stoffe aus dem Urin von Typhus-Patienten isoliert. Als jüdischer Wissenschafter wurde er nach der deutschen Besetzung von Lemberg ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert, wo er den Typhus-Impfstoff für die deutschen Truppen weiterentwickeln sollte. Mit seiner Familie hat er das Lager überlebt und in den darauf folgenden 25 Jahren verschiedene leitende Stellen in wissenschaftlichen Instituten in Polen übernommen. Nach einem Herzinfarkt und einer Krebsdiagnose ist Fleck mit seiner Frau nach Israel zu seinem Sohn ausgewandert und dort am 5. Juli 1961 gestorben.

Ein Nachlass am Collegium

Dass das Collegium Helveticum einen Nachlass übernimmt, bezeichnet Martin Schmid, Medienverantwortlicher des Collegiums, als absoluten Ausnahmefall. Das Collegium verstehe sich weiterhin als Ort des Dialogs der Wissenschaften und keinesfalls als Archiv. Dass nun der Nachlass dieses bedeutenden Wissenschaftstheoretikers des 20. Jahrhunderts in die Sternwarte gelangt, erklärt Schmid mit der Forschungstradition des Collegiums. Das Werk von Fleck sei mit einer Ausstellung, einer Vortragsreihe und einem Workshop thematisiert worden und habe zu einem engen Kontakt mit dem Nachlassverwalter Marcus Klingberg und dem Fleck-Forscher Thomas Schnelle geführt.


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Heute gelten die Ideen von Ludwik Fleck als wegweisend für die Wissenschaftstheorie.

Klingberg, der im Rahmen der Veranstaltungen des Collegiums auch in der Schweiz weilte, habe an der Sternwarte Gefallen gefunden und daher dem Collegium die Rechte am Nachlass abgetreten. In Zürich scheint der Nachlass Flecks zur Zeit jedenfalls am richtigen Ort platziert, entwickelte sich doch die Limmatstadt in den letzten Jahren zu einem Zentrum für Wissenschaftsforschung. Beispiel dafür sind die verschiedenen Projekte, die am Zentrum für Wissenschaftsforschung, am Collegium Helveticum und an der Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte laufen.

Zentrum für Ludwik Fleck

Der Nachlass von Fleck umfasst persönliche Briefe, biographische Dokumente, Unterlagen zu Publikationen und Dokumenten, Publikationen und Manuskripte von veröffentlichten und unveröffentlichten Publikationen. Das Thomas-Schnelle-Archiv steuert daneben Material aus den Recherchen und Unterlagen von Interview mit Zeitzeugen bei, wie von Martin Schmid zu erfahren war. Um Flecks Nachlass Interessierten langfristig zugänglich zu machen, gründet das Collegium Helveticum das Ludwik Fleck Zentrum. Die Gründungsfeier dieses Zentrums findet am 7. Juli 2005 im Beisein von Marcus Klingberg und Thomas Schnelle in der Sternwarte statt.


Literaturhinweise:
Zu Leben und Schaffen Ludwik Flecks siehe auch den "ETH Life"-Artikel "Forschen am Abgrund" vom 18.5.2004: www.ethlife.ethz.ch/articles/fleckaus04.html

Fussnoten:
(1) Website des Collegium Helveticum: www.collegium.ethz.ch
(2) Informationen zu Thomas S. Kuhn finden Sie unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_S._Kuhn



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