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Rubrik: Tagesberichte

Brainfair 2007
Querschnittgelähmt – wie weiter?

Published: 15.03.2007 06:00
Modified: 14.03.2007 17:51
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Eine Querschnittlähmung ist durch einen Unfall schnell passiert, hat aber tiefgreifende Folgen für die Betroffenen und deren Angehörige. Wie man damit umgehen kann und was für Heilungschancen bestehen, war Inhalt des Themenabends „Jeder Schritt zählt – Rehabilitation nach einer Querschnittlähmung“. Diese Veranstaltung am Dienstagabend fand innerhalb der BrainFair 07, der internationalen Woche des Gehirns in Zürich, statt (1) .



Basil Honegger

Der Hörsaal war zwar, vielleicht infolge des schönen Wetters, nur halb voll, aber das persönliche Interesse der Anwesenden an der Veranstaltung „Rehabilitation nach einer Querschnittslähmung“ war deutlich spürbar. Viele direkt Betroffene, Familienangehörige oder Leute, die beruflich mit der Querschnittslähmung zu tun haben, fanden den Weg in die Uni. Geboten wurde den Anwesenden ein sehr umfassender Einblick in die Forschung und Therapienmöglichkeiten nach einer Verletzung des Rückenmarks. Dabei wurde jedoch die Perspektive der Betroffenen nie aus den Augen verloren. Eine Expertengruppe, die einen Forscher, zwei Rehabilitations-Spezialisten und einen direkt betroffenen Paraplegiker umfasste, stand nach einzelnen Kurzpräsentationen dem Publikum für Fragen und Diskussionen zur Verfügung.

Nachwachsende Nerven für Gelähmte

Eröffnet wurde die Präsentationsreihe von Professor Martin Schwab, Neurobiologe an der ETH und Universität Zürich. Er erzählte nochmals von den Forschungsarbeiten, die gezeigt haben, dass die Nervenfasern von Ratten nach einer Verletzung des Rückenmarks zwar versuchen neue Verbindungen zu schaffen, jedoch vom Hemmstoff Nogo-A am Wachstum gehindert würden. Blockierten die Forscher die Wirkung von Nogo-A mit Hilfe eines Antikörpers, wuchsen die Nerven wieder und bildeten neue Verbindungen. Dies führte dazu, dass sich gelähmte Ratten besser bewegen konnten. Der Hinweis von Schwab, dass der Antikörper nun auch in ersten klinischen Studien an 20 querschnittgelähmten Menschen getestet würde, sorgte für grosses Interesse und viele Fragen aus dem Publikum.

Was dabei am meisten interessierte, war, ob schon erste Erfolge mit der neuen Antikörpertherapie verzeichnet werden konnten. Der Neurobiologe gab sich dabei aber eher zurückhaltend und meinte, es ginge in den Versuchen erst einmal darum zu zeigen, wie gut der Antikörper von den Patienten vertragen werde. Es sei noch viel zu früh, um Prognosen zum Wachstum der menschlichen Nerven zu machen. Da jedoch bis anhin noch keine Nebenwirkungen der neuen Therapie aufgetreten sind, sei er zuversichtlich in den nächsten Jahren erste Resultate zu erhalten, so Schwab. Sollte es möglich sein mit dieser Antikörpertherapie einige Nervenverbindungen wieder herzustellen, wäre es möglich, ein grosses Mass an Bewegung zurückzuerlangen.

Rehabilitation in der Klinik und zu Hause

Wie man das Potential einiger weniger solcher Nervenverbindung schon heute in der Rehabilitation trainiert, zeigte Martin Schubert, Oberarzt für Neurologie am Paraplegikerzentrum Balgrist. Patienten mit nicht vollständig durchtrenntem Rückenmark können durch ein solches Training einen Teil ihrer Gehfähigkeit zurückerlangen. Es handelt sich dabei allerdings um einen sehr aufwändigen und langwierigen Prozess, bei welchem das Gehen, mit Hilfe von zahlreichen Therapeuten und Bewegungsmaschinen wieder neu erlernt werden muss.

Erzählte von den ersten klinischen Versuchen, bei denen vielversprechende Antikörper zur Behandlung von Querschnittgelähmten getestet wurden: Martin Schwab, ETH-Professor für Neurobiologie.

Für Leute mit einer Querschnittslähmung steht aber im Laufe einer Rehabilitation nicht immer nur die Wiedererlangung der Körperfunktionen im Vordergrund. Claudia Rudhe-Link, Ergotherapeutin am Paraplegikerzentrum Balgrist, erläuterte, dass eine erfolgreiche Rehabilitation auch die Psyche der Betroffenen und deren Umfeld umfassen sollte. Denn erst wenn man als Querschnittsgelähmter wieder einen Sinn oder eine Aufgabe im Leben sieht und in ein intaktes soziales Umfeld eingebettet ist, kann von einer erfolgreichen Rehabilitation gesprochen werden. Rudhe-Link äusserte ihr Bedauern darüber, dass diese psychischen und sozialen Faktoren von Aussenstehenden und Geldgebern sehr oft ausser Acht gelassen werden.

Der Kampf zurück in den Alltag

Auch Christian Wenk, Arzt am Spital Bülach und selber querschnittsgelähmt, betonte, dass Rehabilitation nicht nur mit den Körperfunktionen zu tun hat. Für ihn beginnt die eigentliche Rehabilitation zu Hause, wenn man auf sich selber gestellt ist und ständig neue Tricks finden muss, um simple Alltagsprobleme zu bewältigen. Wenk lieferte in seinem Referat einen eindrücklichen Bericht über seine persönlichen Erfahrung im Umgang mit der Querschnittslähmung. Er beschrieb auch die Hoffnungslosigkeit, die ihn direkt nach dem Unfall ergriffen hatte. Dies obschon er zur Zeit seines Unfalls schon ausgiebig über die zahlreichen Therapien für Gelähmte Bescheid wusste, hatte er doch seine Doktorarbeit bei Martin Schwab in der Neurobiologie durchgeführt.

Das beste Rezept, um aus dem Tief nach der Lähmung wieder herauszufinden, sei sich auf seine verbliebenen Stärken und Möglichkeiten zu konzentrieren und sich realistische Ziele zu setzten. „Dabei muss man lernen, sich auch über Kleinigkeiten zu freuen, wie zum Beispiel ein T-Shirt anziehen oder seine Schuhe binden zu können“, erläuterte Wenk. Da es aber in Christian Wenks kämpferischer Rede über die Rehabilitation kaum Platz für schlechte Tage und Enttäuschungen gab, fragte man sich als Zuhörer zwischendurch, was wohl jene Patienten machen, die sich durch einen Rückschlag auch mal entmutigen lassen. Denn nicht jeder Querschnittgelähmte ist eine solche Kämpfernatur wie Wenk.

Footnotes:
(1 Brainfair07: http://www.brainfair-zurich.ch/


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