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Rubrik: Tagesberichte ETH-Experiment drei Jahre nach der "Columbia"-Katastrophe wieder im All Neuer Anlauf mit Sojus |
Published: 18.09.2006 06:00 Modified: 18.09.2006 08:55 |
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Die Tragödie, bei der die Raumfähre "Columbia" am 1. Februar 2003 auseinanderbrach und alle sieben Astronauten umkamen, betraf auch die ETH Zürich: Zwei Experimente wurden zerstört. Für „Leukin“, jenes zur Wirkung der Schwerelosigkeit auf die T-Lymphozyten gibt es jetzt einen neuen Anlauf. Am 18. September startet es erneut – im russischen Baikonur. ETH-Weltraumbiologin Isabelle Walther (1)
leitet neben Augusto Cogoli das Experiment. "ETH Life" sprach mit ihr kurz vor ihrer Abreise nach Baikonur. Interview: Norbert Staub (mailto:norbert.staub@sl.ethz.ch) Frau Walther, Sie waren seinerzeit bei der "Columbia"-Katastrophe in Florida sehr nah am Geschehen dran. Nun ist es soweit, das Experiment "Leukin" kann noch einmal durchgeführt werden. Mit welchen Gefühlen schicken Sie es ins All? Isabelle Walther: Ich hatte bei der "Columbia"-Mission weniger mit diesem Experiment zu tun als mit dem Versuch zum Verhalten von Hefezellen unter Stressbedingungen. Trotzdem: Die schmerzlichen Erinnerungen an den Absturz kommen jetzt natürlich wieder hoch. Aber ich finde es schön, dass das Experiment nun endlich wieder fliegen kann. Die Vorbereitungen für Ihre Experimente hatten damals mehrere Jahre beansprucht. Mussten Sie nach dem Unglück wieder von vorn beginnen? Die dafür speziell entwickelten Kulturkammern mit den Experimenten drin gingen damals natürlich verloren. Aber wir konnten für das neue Experiment viel von dem, was wir im Labor entwickelt hatten, noch einmal verwenden. Wissenschaftlich hat sich im Grundsatz ausser einigen Details nichts geändert. Da in der internationalen Raumstation ISS mehr Platz vorhanden ist, können wir etwas mehr Hardware verwenden. Wir nutzen dies, um eine zusätzliche Proteinanalyse zu machen.
Was wollen Sie mit dem Versuch herausfinden? Beim Experiment "Leukin" (2) will man testen, wie sich die Schwerelosigkeit auf die so genannten T-Lymphozyten auswirkt. T-Lymphozyten sind zentrale Abwehrzellen im Blut des Menschen. Im Speziellen soll gemessen werden, wie stark die Gene für Interleukin 2, das zentral ist für die von T-Zellen vermittelte Immunantwort, und für seinen Rezeptor abgelesen werden. Das heisst, man misst die Boten-RNA der beiden Gene. Wie muss man sich den Ablauf von „Leukin“ vorstellen? Damit der Versuch funktioniert, braucht es frisch gespendetes Blut. Fünf Freiwillige aus der vor Ort in Baikonur arbeitenden Wissenschaftler-Crew – mich eingeschlossen – werden kurz vor dem Start der Sojus-Rakete je 450 Milliliter Blut zur Verfügung stellen. Aus diesem werden die T-Zellen isoliert und dann versiegelt. Sofort nach dem Andock-Manöver von Sojus an der ISS werden die T-Lymphozyten aktiviert und danach in Schwerelosigkeit und unter einfacher Erdbeschleunigung bei 37°C kultiviert. Nach vier Stunden werden die Zellen aufgelöst und auf vier Grad heruntergekühlt.
Sie haben die amerikanische und die russische Raumfahrtorganisation vertieft kennen gelernt. Wie unterscheiden sich die beiden Institutionen für Sie als Forscherin? Da gibt es erhebliche Unterschiede. Zum einen ist die Labor-Infrastruktur von Baikonur nicht mit jener des Kennedy Space Center vergleichbar: Der vorhandene Laborplatz ist viel kleiner – nur ein Labor für alle Experimente – und die Laborausstattung beschränkt. Es gibt zum Beispiel nur eine Zentrifuge. Alles nötige Verbrauchsmaterial müssen wir selber mitbringen. Hinzu kommt ein administrativer Aufwand, der jenen für eine US-Mission klar übersteigt. Nur schon die Reise und der Transport des Materials nach Baikonur gestaltet sich schwierig. Die russischen Zoll- und Immigrationsbehörden zeigen sich da nach wie vor wenig flexibel. Aber auch die Richtlinien der europäischen Raumfahrtagentur ESA, die an dem Flug beteiligt ist, sind ausgesprochen streng. Die für die ISS verwendeten Experimentbehälter mussten noch einmal mehrfach auf Herz und Nieren geprüft werden – obwohl sie bereits geflogen sind. Und wegen der Verwendung von menschlichem Blut mussten wir einen strengen ethischen Kontrollprozess durchlaufen. Sie reisen nun selbst nach Kasachstan, um die letzten Vorbereitungen zu treffen. Wie sieht Ihr Fahrplan aus? Ich unterstütze die Startvorbereitungen im Labor in Baikonur und werde am 18. September verfolgen, wie die Sojus-Rakete abhebt. Am 20. September werde ich bereits wieder in Zürich sein, wo wir von unserem Kontrollraum das Experiment überwachen können. Wir stehen dann im indirekten Kontakt mit den Astronauten und können eingreifen, wenn etwas nicht funktioniert. Am 29. September, kurz nach der Landung der Raumfähre, werde ich dann in Moskau die Proben wieder in Empfang nehmen können. Die Proben werden anschliessend nach San Francisco verschickt, wo unsere Forschungspartner sie analysieren.
References:
Footnotes:
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