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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 08.12.2004 06:00

Präsentation des Wasserstoff-getriebenen Hy-Light
Rassiger Rohling

Von Christoph Meier

Die Szenerie ist unbestimmt, fast unheimlich: Wir befinden uns in einer für das Schweizer Mittelland typischen, gesichtlosen Industriezone in der Nähe von Fribourg. Am angegebenen, aber nicht ausgeschilderten Ort treffen wir auf ein umzäuntes, fensterloses Fabrikgebäude, das bei der vorherrschenden Nebellage und den frostigen Temperaturen nicht gerade einladend wirkt. Bei der Pforte werden wir freundlich aber bestimmt aufgefordert, Ausweise abzugeben. Auf Nachfrage hin werden wir nach fünf Minuten abgeholt.

Nachdem wir über eine Rampe in den Untergrund abgetaucht sind, ist es dann soweit: Zum ersten Mal wird in der Schweiz den Medien das neue Brennstoffzellenauto Hy-Light präsentiert. Entwickelt wurde es vom Paul Scherrer Institut und dem Pneuhersteller Michelin, an dessen bisher kaum bekannten Forschungstandpunkt Givisiez wir uns befinden. Sieht man den Hy-Light, ist es im ersten Moment wie bei einem Formel-1-Boliden: Die Neuentwicklung ist überraschend klein, wenn man die Bilder von ihr noch im Hinterkopf trägt. Ansonsten erinnert der vierplätzige Hy-Light an einen typischen Kleinwagen, eine Mischung aus Smart und einem VW-Golf.

Das Cockpit: einfach aber handlich. gross

Sein Status als Prototyp wird aber nicht versteckt. So wirken viele Details wie die kantige Innenauskleidung solide aber vom Design her noch nicht ausgearbeitet. Der Rohlingscharakter wird verstärkt durch klar ersichtliche Schweiss- und Falznähte. Bei näherem Hinschauen entdeckt der Betrachter viel Liebe zum Detail. So wird beispielsweise das Nummerschild mit LED-Lämpchen beleuchtet, oder am Fahrersitz hängt ein Pümpchen, wahrscheinlich für die Härteregulation des Sitzes.

Nach dieser ersten Inspektion freut man sich, Hy-Light seiner Bestimmung entsprechend als Automobil erleben zu dürfen. Obwohl wir nicht selbst ans Steuer gelassen werden, erhält man bei der Probefahrt auf dem Geländer der Forschungsstätte einen ersten Eindruck des Fahrgefühls mit dem Wasserstoffgefährt. Trotz der Last von vier in den Kleinwagen gepferchten Passagieren, erreichen wir nach rund 50 Metern eine Geschwindigkeit von 60 Stundenkilometer. In den engen 90 Grad Kurven beweist der Hy-Light auch seine gute Haftung und empfiehlt sich als rassiges und wendiges Stadtmobil.

Verspielt: Das Nummernschild wird mit LED-Lämpchen beleuchtet. gross

Kaum auf den Geschmack gekommen, ist die Demonstration auch schon wieder vorbei. Von aussen kann man nochmals die ausgeklügelte Radaufhängung bewundern, während dem die Verantwortlichen von Michelin erläutern, dass sie die Neuentwicklung selber sicher nicht zur Serienreife bringen wollen. Es ginge vielmehr darum zu demonstrieren, was alles möglich sei, wenn man den Elektroantrieb für das gesamte Auto ausreize. Dabei sei die Regulation der Dämpfung der Räder nur ein Aspekt.

Nach einem kurzen Imbiss ist der Anlass vorbei, und Givisiez verschwindet nach der Abfahrt bald aus dem Blickfeld. Alles wirkt wie ein Traum und wir fragen uns, ob wir je den Nachfolgern von Hy-Light einmal auf den Schweizer Strassen begegnen werden.


Natur pur: Mit Solarzellen wird der Strom für die Elektrolyse von Wasser hergestellt. Der daraus hergestellte Wasserstoff dient als Treibstoff für den Hy-Light. gross


„Optimal verteilt“

(mib) Nur zwölf Sekunden braucht der Hy-Light, um von 0 auf 100 Kilometer pro Stunde zu beschleunigen. Das ist eine beachtliche Leistung für einen Prototypenwagen! Zum Vergleich: Der Peugeot 307 oder ein VW Golf beschleunigen gleich schnell.

Hy-Light ist eine Kurzform und steht für Hydrogen (Wasserstoff) und Leichtbauweise (Light). Zentral am Auto ist die Auslegung auf einen rein elektrischen Antriebsstrang und auf Leichtbauweise. Als Elektrizitätserzeuger dient die Polymerelektrolyt-Brennstoffzelle (PEFC), in der aus Wasserstoff und Sauerstoff elektrischer Strom produziert wird. Das System ist ausgetüftelt: „Es war nicht einfach, ein perfektes, leicht feuchtes (für die Leitfähigkeit) Gemisch zu finden“, sagt Akinori Tsukada, der am PSI die Brennstoffzelle mitentwickelte. Im Vergleich zu einem gleichstarken Verbrennungsmotor beansprucht die Brennstoffzelle bei 30 Kilowatt bzw. 41 PS Nennleistung rund zweimal mehr Raum. Es besteht aber ein grosses Potenzial, diesen Nachteil wett zu machen. „Mit den Hightech-Elektromotoren von Michelin, die viel weniger Masse haben und somit in den Rädern untergebracht werden können, gewinnt man neue Designfreiheiten“, erklärt Philipp Dietrich, Leiter Technologietransfer am PSI.

Betrieben wird die Brennstoffzelle mit Wasserstoff und Sauerstoff. Der Wasserstoff wird in einer schwammartigen Aluminiumkonstruktion im Chassis gespeichert, der Sauerstoff in einer Druckflasche unter dem Rücksitz, erklärt Daniel Laurent, Chef der Michelin-Forschung. Umgerechnet verbraucht der Hy-Light auf 100 Kilometer 2,3 Liter Benzin bei einer maximalen Reichweite von 400 Kilometern (bei 80 km/h). Seine Spitzengeschwindigkeit liegt bei 130 Kilometern pro Stunde.

Weiter sorgen Superkondensatoren für mehr Leistung. Wenn der Wagen bremst, wird die dabei umgewandelte Bewegungsenergie in diesen „Supercaps“ gespeichert. So kann die Leistung des 850 Kilo schweren Vierplätzers kurzfristig auf 75 Kilowatt (102 PS) gesteigert werden.

Entwickelt wurde das Fahrzeug in knapp 20 Monaten in Koproduktion am Forschungszentrum der Michelin-Gruppe (1) in Givisiez bei Fribourg und am Paul Scherrer Institut (2) im aargauischen Villigen. Vorgestellt wurde das Auto erstmals Mitte Oktober am Michelin Challenge Bibendum in Shanghai, wo es eine „gute Figur“ machte, wie die Automobil Revue meinte. Wie viel das Fahrzeug gekostet hat, ist Geheimnis der Entwickler; es dürften allerdings einige Millionen Franken gewesen sein, wie die Handels Zeitung spekulierte.

Der Hy-Light soll nun am nächsten Genfer Automobil-Salon vorgestellt werden; der Salon findet vom 3. bis 13. März statt. Ob das Fahrzeug einst in Serie produziert wird, ist offen: „Mit diesem Prototypen wollten wir lediglich aufzeigen, dass die verwendete Technologie funktioniert“, sagte PSI-Direktor Ralph Eichler gegenüber der Touring-Zeitung. Für Alexander Wokaun, Leiter des Forschungsbereichs Allgemeine Energie am PSI und ETH-Professor am Institut für Chemie- und Bioingenieurwissenschaften, ist klar: „Das Wasserstoffauto ist keine Utopie.“




Literaturhinweise:
Über die Tagung „Hoffnungsträger Wasserstoff“ berichtete ETH Life am 3. Dezember 2004 unter dem Titel „Energieträger der Zukunft?“: www.ethlife.ethz.ch/articles/news/wasserstoffauto.html. Zum gleichen Thema erschien auch der Energie-Spiegel des PSI: www.psi.ch/medien/Medienmitteilungen/mm_hoffnungstraeger_wasserstoff/energiespiegel_nr12d.pdf
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Fussnoten:
(1) Michelin Schweiz: www.michelin.ch/
(2) Paul Scherrer Institut: http://www.psi.ch



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