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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 28.03.2003 06:00

Neue Methode könnte Klimatologie revolutionieren
Maya-Untergang hilft der Klimatologie

Die klassische Maya-Kultur wurde das Opfer von mehreren Dürren. Diesen Schluss legt eine Studie von ETH-Forschenden nahe, die anhand des Titangehaltes in Meeressedimenten vor der Küste Venezuelas das Klima während dem Untergang der mittelamerikanischen Kultur rekonstruierten. Doch nicht nur aus historischer Perspektive gelang ein Durchbruch: Die verwendete Methode könnte dank ihrer hohen zeitlichen Auflösung der Paläoklimatologie insgesamt neue Impulse verleihen.

Von Christoph Meier

1000 Jahre auf 30 Zentimeter: ein solch komprimiertes Geschichtsarchiv stellen gewisse Abschnitte der Sedimentproben dar, die im Rahmen des Ocean Drilling Programms (1) im Cariaco Becken vor der Küste Venezuelas erbohrt wurden. Doch ein Archiv nützt nur etwas, wenn man darin auch stöbern kann. Mittlerweilen haben ETH-Wissenschaftler um den Analytiker Detlef Günther (2) zusammen mit dem Geologen Gerald Haug einen Schlüssel gefunden, mit dem sie die Klimageschichte mit einer zeitlichen Auflösung von zwei Monaten entziffern können. Ein Auszug aus den Jahren 700-1000 brachte auch eine erste grosse Enthüllung, die durch die Weltpresse ging: In den Jahren 810, 860 und 910 litt die Region unter drei grossen Dürren, was exakt zusammenfällt mit den von Archäologen postulierten Krisen, die zum Kollaps der klassischen Maya-Kultur führten.

Ein naturwissenschaftlicher Riegel

"Die Dürren sind für mich der klar bestimmende Faktor für den Untergang", zeigt sich Günther überzeugt. In der im Wissenschaftsmagazin "Science" veröffentlichten Studie (3) zeigt er zusammen mit seinen Forschungskollegen, dass zwischen 550 bis 760 ein verhältnismässig niederschlagreiches Klima mit saisonalen Schwankungen vorherrschte. Dies fällt mit der Blüte der Mayas in ihrer klassischen Periode zusammen. Danach wurde es trockener und in 50-Jahr-Abständen kam es zu den drei grossen Dürren. Das legt ein Szenario nahe, bei dem die Maya-Bevölkerung bis 760 zunahm, eventuell bis zur Belastbarkeitsgrenze für die Umwelt. Da reichte in der Folge auch die ausgeklügelte Wasserversorgung nicht mehr aus, um in dem zunehmend trockeneren Klima zu überleben.

Der von einem Archäologen im "New Scientist" erhobene Einwand gegen das Szenario, dass die grösste Blüte der Maya im trockensten Gebiet der Region geschah, beunruhigt Günther nicht, ja bestätigt ihn sogar: "Für die Mayas in den trockenen Gebieten wirkten sich die Dürren besonders fatal aus." Der Wissenschaftler erhielt viele Reaktionen auf den Artikel. Dabei zeigt sich, dass die Mehrheit froh ist, dass dank einer naturwissenschaftlichen Untersuchung den vielen Spekulationen ein Riegel vorgeschoben wurde. Für Günther, dem als Chemiker die Theorienvielfalt der Archälogen etwas fremd war, ist klar, dass die Verfechter anderer Theorien jetzt vergleichbare oder bessere wissenschaftliche Argumente finden müssen, um das Klima als entscheidende Grösse für den Mayauntergang zu entkräften.


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Der Röntgenfluoreszenz-Spektrometer (links) wurde für die Sediment-Untersuchungen mit einer grossen Probenkammer ausgerüstet (rechts). Damit können Bohrkernabschnitte mit einer Länge von bis zu einem Meter analysiert werden. (Bild: Markus Küpfer) gross

Mikro-Röntgenfluoreszenz wies den Weg

Doch was mass der Chemiker überhaupt und mit welcher Methode? Aus früheren Untersuchungen von Haug wusste man, dass der Titangehalt in den Sedimenten ein Mass darstellt, wie viel Wasser die Flüsse mit sich führen. Die Wassermenge der Flüsse wiederum hängt direkt mit den Niederschlägen auf dem Festland zusammen. Jetzt mussten die Forschenden nur noch eine Methode finden, mit der sie die Sedimentprobe in möglichst kleinen Schritten auf ihre chemischen Elemente hin analysieren konnten.

Die Mikro-Röntgenfluoreszenz wies den Weg: Günther hatte bereits bei der Wahl seines neuen Röntgenfluoreszenz-Spektrometers darauf geachtet, dass mit dem neuen Gerät hochauflösende und zerstörungsfreie Analysen durchgeführt werden können. Als Anwendung hatte er archäologische Fragestellungen und die Untersuchung der Farbzusammensetzung von Gemälden im Auge. Wieso sollte er aber das Gerät nicht auch für Klimauntersuchungen im einsetzen? Der Chemiker rechnete zuerst, wie lange die ganze Analyse der Sedimentproben dauern würde, und zögerte. Tagelang würde die entsprechende Maschine blockiert sein, um entsprechend aussagekräftige Ausschnitte zu untersuchen. Doch dann wagte er es und fuhr einen Testlauf, mit Erfolg. Die Proben konnten mit einer Auflösung von 50 Mikrometern, was einem Zeitraum von zwei Monaten entspricht, untersucht werden.

"Methode wird ein Selbstläufer"

Wollte Günther beim Testlauf noch gar nicht wissen, in welchem Zeitfenster er mass, wählten die Forschenden danach gezielt den Bohrkernabschnitt, der die Zeit des Maya-Untergangs umfasste. Zudem konstruierten sie mit Markus Küpfer von der Werkstatt der Chemie eine neue Probenkammer für das Mikro-Eagle II genannte Analysegerät. Damit können jetzt die Wissenschaftler Bohrkernabschnitte mit einer Länge von bis zu 1.1 Metern untersuchen, ohne sie zu brechen. "Die Methode und die Maschine wird ein Selbstläufer", prophezeit Günther. Denn erstmals steht den Klimatologen eine verlässliche Methode mit bis jetzt unerreichter zeitlicher Auflösung zur Verfügung. Der Chemiker selbst wird aber nicht zum Klimatologen. Seine Aufgabe sei es, die Methoden zu entwickeln und zu validieren. Dass er dabei nicht erst am Anfang steht, lässt er zwischen den Zeilen durchblicken. Hört man Günther zu, wird man auch den Verdacht nicht los, dass er methodisch noch eine weitere Überraschung in der Hinterhand hält.


Fussnoten:
(1) The Ocean Drilling Program: http://www.oceandrilling.org/
(2) Group for Elemental Trace- and Microanalysis: http://www.analytica.ethz.ch/
(3) Gerald H. Haug, Detlef Günther, Larry C. Peterson, Daniel M. Sigman, Konrad A. Hughen, and Beat Aeschlimann: "Climate and the Collapse of Maya Civilization", Science 2003 March 14; 299: 1731-1735.



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