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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 22.02.2005 06:00

Biologie-Kongress an der ETH
Von Molekülen und Menschen

Vom vergangenen Donnerstag bis zum Wochenende bevölkerten um die 600 Biologen aus dem In- und Ausland das ETH-Physikgebäude am Hönggerberg. Ziel der Fachtagung „Molecules to Mind“ war es, einen Ein- und Überblick zur biologischen Erforschung geistiger Vorgänge zu vermitteln. Das Spektrum reichte von der Molekularbiologie auf der einen bis zur Verhaltensforschung und –therapie auf der anderen Seite.

Norbert Staub

Was geschieht, wenn wir denken? Welche biologischen Prozesse liegen mentalen Vorgängen zu Grunde? Der neurowissenschaftliche Ansatz fasziniert. Deshalb wird das lebhafte Interesse vor allem jüngerer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der internationalen Tagung „Molecules to Mind“ im Physik-Octagon auf dem Hönggerberg wohl nicht nur auf den Umstand zurückzuführen sein, dass drei grosse wissenschaftliche Gesellschaften der Schweiz ihre jährlichen Meetings erstmals zu einem gemeinsamen Auftritt zusammenschalteten: nämlich die Union Schweizerischer Gesellschaften für experimentelle Biologie (USGEB), die Swiss Society for Neuroscience (SSN) und die Schweizerische Gesellschaft für biologische Psychiatrie (SGBP).

Disziplinengrenzen überbrücken

Fast unüberblickbar ist die Menge der Facetten, die das Generalthema bietet. Vom Molekül bis zur menschlichen Psyche reichten die Ebenen, auf welchen die Forscherinnen und Forscher sich mit Gehirn und Geist auseinandersetzten. „Wir haben hier eine geballte Ladung aktuellster Forschung zusammengebracht“, meint Matthias Peter, ETH-Professor für Biochemie, der dem Organisationskomitee vorstand. „Eine Grundidee dieser neuartigen Veranstaltung war es, Brücken zu schlagen und Gespräche über die verschiedensten Disziplinen-Grenzen hinweg anzuregen“, so Matthias Peter. „Dies kann aber nur gelingen, wenn die Teilnehmer auch das Interesse und die Bereitschaft mitbringen, aufeinander zuzugehen und die verschiedenen Ansätze und Probleme zu diskutieren. Der Mehrwert für die Forschung ist dann aber gewaltig.“

Von der DNA zum Ribosom

Für die Gastgeberin ETH schloss der erste Tag des Symposiums mit einer Anerkennung für die Leistungen eines ihrer Molekularbiologen: Nenad Ban, ETH-Professor für Molekulare Strukturbiologie, erhielt den Friedrich-Miescher-Preis 2005, eine Auszeichnung des gleichnamigen Basler Forschungsinstituts für biomedizinische Forschung. Der Preis geht jeweils an einen jüngeren Wissenschaftler biochemischer Richtung mit einem Bezug zur Schweiz. Die Auszeichnung habe für ihn eine besondere Bedeutung, sagt Nenad Ban. So habe Miescher um 1870 die DNA entdeckt, worin in allen Organismen die genetische Information gespeichert ist. „Meine Forschung beschäftigt sich mit der Proteinsynthese am Ribosom gemäss der Information, welche in der DNA kodiert ist“, so Ban. Zudem zeige dieser Preis, dass die Grundlagenforschung, die er mit seiner Gruppe betreibe, von Wissenschaftlern anderer Forschungsgebiete geschätzt wird; „und das freut mich natürlich."


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Das Ribosom: die Proteinfabrik der Zelle - Nenad Ban konzentriert sich in seiner Forschung auf die Analyse molekularer Strukturen wie jener des "Triggerfaktors". gross

Ein "zahmer Drache"

Ban ist Mitentdecker der dreidimensionalen Ribosom-Struktur. Am Donnerstag erläuterte und illustrierte er eine aktuelle Arbeit seiner Gruppe, welche die Struktur des „Triggerfaktor“ genannten Moleküls aufhellte („ETH Life“ berichtete, (1)). Der Triggerfaktor sitzt am Ende jenes Tunnels, durch welchen das neu gebildete Protein aus dem Ribosom entlassen wird. Dort sorgt es dafür, dass das Protein korrekt gefaltet wird. Bans Analysen ergaben nun, dass der Triggerfaktor - einem „zahmen Drachen“ ähnlich - sich über den Tunnelausgang biegt. Dabei bildet er einen sicheren Hort von einer Grösse, der auch eine gefaltete Proteindomäne beherbergen kann. Das steht im Gegensatz zur bisherigen Annahme, dass der Triggerfaktor nur kleine Abschnitte ungefalteter Proteine binden kann und keinen geschützten Raum zur Faltung bietet.

Gefühle sichtbar machen

Neben den elf Symposien (unter anderem zu den Themen Stammzell- sowie Prionenforschung) stachen die Plenarvorträge von international renommierten Forscherinnen und Forschern heraus. Ruedi Aebersold zum Beispiel, Systembiologe und seit 2003 Professor an der ETH Zürich, stellte in Aussicht, dass in Zukunft biologische Prozesse mathematisch modelliert werden können. Damit könnte das Verhalten eines ganzen Systems vorhergesagt werden. Aebersold fokussierte darüber hinaus auf die Proteomik, die Globalanalyse aller Proteine einer Zelle. Diese sei ein zentrales Element der Systembiologie.

Thomas Jenuwein vom Wiener Institut für Molekulare Pathologie (IMP) sprach über das von seiner Gruppe entdeckte Enzym Histon-Methly-Transferase, welches DNA-Fäden im Zellkern so verpackt, dass sie nicht mehr abgelesen werden können. Alexander Schier vom Skirball Institut in New York präsentierte neue Erkenntnisse, die zeigen, wie im Zebrafisch Neuronen gezielt auswachsen. Karel Svoboda vom Cold Spring Harbor Lab bei New York stellte Resultate seiner hoch auflösenden von fluoreszierenden Visualisierungen von Signalen im Gehirn lebender Mäuse vor. Diese legen nahe, dass Lernen und Erinnern einhergeht mit langfristigen Veränderungen in der Hirnstruktur.

Mit der Erforschung der Funktionen des menschlichen Gehirns bis auf die Gefühlsebene befassen sich die Biochemiker und Psychiater Helen Mayberg (Emory University/USA) und Pietro Pietrini (Universität Pisa). Letzterem ist es gelungen, mit Verfahren wie PET (Positronen-Emissions-Tomographie) die neuronalen Reaktionen auf emotionale oder schmerzhafte Reize – etwa Aggression oder Vergebung – zu verfolgen und zu lokalisieren.


Fussnoten:
(1) Vgl. dazu den „ETH-Life“-Bericht „Analysen molekularer Anstandsdamen“ vom 17. September 2004: www.ethlife.ethz.ch/articles/chaperonesbanglocksh.html



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