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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 20.01.2004 06:00

Visionen gesucht: Das Sustainability Forum über Wirtschaft und Politik
Raumschiff Erde

Prominente Namen an Uni und ETH Zürich: Auf Einladung des Sustainability Forums referieren Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft über eine Nachhaltige Entwicklung. Das erste Referat hält morgen Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz, bevor er ans Davoser Weltwirtschaftsforum reist.

Von Michael Breu

Was ist der Beitrag der internationalen Politik und Wirtschaft in der Nachhaltigkeitsdebatte? Welche Rolle spielen die Global Players in der Umweltschutzdiskussion? Ist eine Nachhaltige Entwicklung möglich, wie sie 1992 am Erdgipfel von Rio de Janeiro gefordert wurde? Das Sustainability Forum (1), das Center for Corporate Responsibility and Sustainability der Universität Zürich (2), ETHags (3) und Novatlantis des ETH-Bereichs (4) wollen diesen Fragen nachgehen. Die Vortragsreihe mit führenden Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft ist in zwei Module unterteilt, in den „Sustainability Leader Dialogue“ und in „Pavillon Lecture“.

Chefberater von Clinton - und sein schärfster Kritiker

Den Auftakt bestreitet Joseph E. Stiglitz, Professor für Ökonomie an der Columbia University in New York. Stiglitz ist wohl der prominenteste Kritiker des freien Marktes und wird deshalb von Globalisierungskritikern gerne als Vorzeigeperson für eine staatlich regulierte Wirtschaft und gegen den Neoliberalismus angeführt. Der 61-jährige Amerikaner studierte am Amherst College und am MIT Wirtschaftswissenschaften und war anschliessend als Professor in Yale und Stanford tätig. Von 1993 bis 1997 war er Bill Clintons Chefberater für Wirtschaftsfragen, von 1997 bis 2000 (unter James D. Wolfensohn) Vizepräsident der Weltbank.

Joseph E. Stiglitz, Wirtschafts-Nobelpreisträger und ehemaliger Weltbank-Chefökonom wird über die "neue Geschichte der wirtschaftlich blühendsten Dekade" - über die Neunzigerjahre berichten.

Für seine Arbeiten über „asymmetrische Informationen“ wurde er 2001 (zusammen mit George Akerlof und Michael Spence) mit dem Wirtschafts-Nobelpreis ausgezeichnet. „Zweihundert Jahre lang ist man in der Wirtschaftswissenschaft von einfachen ökonomischen Modellen ausgegangen, die die absolute Markttransparenz vorausgesetzt haben. Das heisst, alle Marktteilnehmer verfügen über die gleichen, für alle zugänglichen Informationen über die relevanten Faktoren. Wir haben bewiesen, dass diese Annahme falsch ist: Sogar kleine Informationsdefizite können tief greifende Auswirkungen auf das Verhalten der Wirtschaft haben“, erklärt Stiglitz und findet: „Unseren Analysen zufolge war die unsichtbare Hand nirgends zu sehen, sie war gar nicht vorhanden oder im besten Fall altersschwach.“ Unter diesen Umständen sei der staatliche Eingriff in den Markt für jeden von Vorteil – „auch wenn man davon ausgeht, dass der Staat dieselben Informationsdefizite besitzt wie der private Sektor.“

„The Roaring Nineties“

Im „Sustainability Leader Dialogue“ wird Stiglitz am 21. Januar von 12 bis 14 Uhr (Aula Uni-Zentrum) über „Governance for a Sustainable World“ sprechen, an den bereits ausgebuchten „Pavillon Lecture“ (18-21 Uhr, Pavillon CCRS) über sein aktuelles Buch „The Roaring Nineties“, in dem er vor allem die Politik Bill Clintons heftig attackiert und ihm vorwirft, den Samen zu den meisten verhängnisvollen Entwicklungen gesät zu haben, wie die linke „WochenZeitung“ berichtete. Anschliessend wird Stiglitz an das Weltwirtschaftsforum (WEF) nach Davos reisen und unter anderem am Sonntag, 25. Januar, am Open Forum über “Globalization or Deglobalization for the Benefit of the Poorest” referieren.

Ulrich Thielemann heisst der nächste Gast des Sustainability Forums. Thielemann studierte Wirtschaftswissenschaften an der Bergischen Universität in Wuppertal und ist seit 1989 an der Universität St. Gallen an Peter Ulrichs Institut für Wirtschaftsethik tätig. „Man mag mir vorwerfen, dass ich immer nur kritisiere und mein wirtschaftsethisches Verständnis allzu negativ ist. Doch scheint mir angesichts der starken und durchdringenden Tendenzen hin zu einer Ökonomisierung aller möglichen Lebensbereiche, ja unseres Denkens, vor allem Negation angezeigt, begründete Negation versteht sich“, findet Thielemann, dessen Buch „Das Prinzip Markt“ inzwischen zu den Grundlagenwerken in der Wirtschaftsethik zählt. Ulrich Thielemann referiert am 17. März (18-21 Uhr, Pavillon CCRS) über „Akzeptanz oder Legitimität? Die Idee verdienter Unternehmensreputation und die Banken“.

Die globale Herausforderung einer Nachhaltigen Entwicklung für Nichtregierungsorganisationen ist das Thema von Claude Martin, Direktor des WWF International (27. April, 18.15-20.15 Uhr, Aula Uni-Zentrum). Nach dem Zoologiestudium in Zürich war Martin zuerst in Indien tätig, wo er die Population von Hirschen untersuchte, später in Ghana und ab 1980 als Geschäftsführer des WWF Schweiz. Claude Martin hat die Politik des WWF wesentlich geprägt – unter anderem suchte er die Zusammenarbeit mit Wirtschaftsführern am Davoser Weltwirtschafsforum und mit der Weltbank.


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Demonstration vor dem Sitz der Weltbank in Washington: Kritisiert wird die Geldvergabe der Bank, welche zu wenig an Umweltauflagen gekoppelt sei.

Die „Nachhaltigkeit als Innovationsmotor“ ist das Thema von Alexander J. Zehnder, designierter Präsident des ETH-Rates (16. Juni, 18.15-20.15 Uhr, Audimax ETH). Er wird sich in seinem Referat vor allem mit der Rolle von Forschung und Bildung befassen: „Der Ausbildungs- und Forschungsplatz Schweiz steht vor einem Umbruch. Ich sehe hier eine Herausforderung für mich (als künftiger Präsident des ETH-Rates), einen Beitrag zur Neuorientierung zu leisten“, meinte Zehnder nach seiner Wahl gegenüber „ETH Life“. Denn: „Meine Tätigkeiten hatten eigentlich immer mit Aspekten der Nachhaltigkeit zu tun. Für mich ist Nachhaltigkeit keine leere Worthülse.“ Zehnder studierte an der ETH Naturwissenschaften, war als Berater der Weltgesundheitsorganisation tätig, baute an der Universität Wageningen die Mikrobiologie auf und ist seit 1992 Direktor der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) sowie ETH-Professor für Umweltbiotechnologie.

"Umwelt ist nichts für Spinner"

Nächster Gast ist Walter R. Stahel, studierter ETH-Architekt und heute als Industrieanalytiker tätig. „Umwelt ist nichts für Spinner. Sie ist ein ganz normaler Teil der Wirtschaft. Wir müssen wegkommen von dem Denken: Geld verdienen ist das eine, die Umwelt retten das andere“, findet Stahel und plädiert für Systemlösungen: „Güter sollen möglichst lange halten, wenig Energie und Ressourcen verbrauchen – die ökologische Dienstleistungsgesellschaft kommt dann fast von alleine.“ Am 22. Juni (18-21 Uhr, Pavillon CCRS) wird Stahel über seine Arbeit am Genfer Product Life Institute berichten, das er 1982 gründete. Zu den wichtigsten Werken des Gründungsmitglieds des „Faktor-10-Clubs“ gehört das Buch „The Limits to Certainty“, ein Bericht an den Club of Rome.

James D. Wolfensohn, Präsident der Weltbank und Feindbild der Globalisierungsgegner: Sein Ziel ist die Halbierung der Armut bis 2015.

Noch offen ist, wann James D. Wolfensohn, Klaus Töpfer und Forest L. Reinhardt am Sustainability Forum referieren werden – aber sie kommen. Der Australier James D. Wolfensohn studierte an der University of Sydney und in Harvard Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, gründete anschliessend eine Investmentbank und ist seit 1995 Präsident der Weltbank. Der ehemalige Fechter (Olympia-Team von 1956) lancierte mehrere Initiativen, die den ärmsten der Welt zugute kommen sollen, unter anderem zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds die „Heavily Indebted Poor Country Initiative“. Bis 2015, so Wolfensohn, soll die Armut weltweit um die Hälfte reduziert, die Gesundheitsvorsorge vorangetrieben werden. Wolfensohn wird der Weltbank noch bis 2005 vorstehen.

Vater des "Grünen Punktes"

Eine eher pessimistische Sicht der Weltlage wird Klaus Töpfer vertreten. Der studierte Volkswirt war Professor an der Universität Hannover, bis er 1985 Minister für Umwelt und Gesundheit in Rheinland-Pfalz und 1987 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit wurde. Dort zeichnete er verantwortlich für die Einführung des „Grünen Punktes“. Von 1990 bis 1998 war der CDU-Politiker Mitglied des Bundestages, seit 1998 ist er Direktor des UN-Umweltprogramms (UNEP) mit Sitz in Nairobi. Gegenüber der „Frankfurter Rundschau“ meinte Töpfer kürzlich: „Die Lage der Welt ist überaus kritisch. Die weiterhin massiv steigende Weltbevölkerung und die wirtschaftliche Dynamik, besonders in den Industriestaaten, bringt das Raumschiff Erde in Atemnot […] Die Erde als vernetztes Natursystem hat erhebliche Erschöpfungszustände.“

Sabbatical in der Schweiz

Für sein Sabbatical hat Forest L. Reinhardt die Schweiz ausgesucht. Reinhardt ist John D. Black-Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Harvard Business School und hat mit „Down to Earth“ in seinem Gebiet einen Bestseller geschrieben. Darin untersuchte er Markt und Nicht-Marktstrategien in Bezug auf das Management von natürlichen Ressourcen. Auch Reinhardt wird Gast am Weltwirtschaftsforum sein. Vor einem Jahr debattierte er in Davos über die Zukunft der Kernenergie (unter anderem mit Klaus Töpfer).


Fussnoten:
(1) The Sustainability Forum: www.sustainability-zurich.org/
(2) Center for Corporate Responsibility and Sustainability der Universität Zürich: www.ccrs.unizh.ch/
(3) ETHags: www.ags.ethz.ch/de/index.cfm/
(4) Novatlantis, Nachhaltigkeit im ETH-Bereich: www.novatlantis.ch/pag_d/intro.html



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