ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
English Version English Version
Print-Version Drucken
Publiziert: 03.11.2005 06:00

Globaler Wandel
Mittelmeer und Alpen stark betroffen

Der Klimawandel trifft die Gebirgsregionen und den Mittelmeerraum am stärksten, und die Menschen werden sich am Ende des 21. Jahrhunderts auf die guten Dienste, welche Ökosysteme für sie leisten, nicht mehr verlassen können. Das ist das Fazit einer Studie von 16 europäischen Forschungsinstituten über die Auswirkungen des Wandels von Klima und Landnutzung in Europa.

Peter Rüegg

2005: In Spanien und Portugal brennen die Wälder, verdorren die Ernten. Man spricht davon, dass dies die schlimmste Dürre seit 60 Jahren auf der Iberischen Halbinsel ist. In der Schweiz fällt dagegen Ende August so viel Regen, dass Bergtäler von der Aussenwelt abgeschnitten werden und Hänge ins Rutschen kommen.

Betroffen von den jüngsten Klimakapriolen sind, wie ein Blick in die Massenmedien erahnen lässt, in Europa das Mittelmeergebiet und der Alpenraum. Das gross angelegte europäische Projekt ATEAM (Advanced Terrestrial Ecosystem Analysis and Modelling) legt nun mit einer Publikation in der Fachzeitschrift „Science“ (1) nahe, dass diese Regionen auch in Zukunft vom Klimawandel besonders stark betroffen sein dürften. Europäische Forscher, darunter Professor Harald Bugmann und Dr. Bärbel Zierl von der Professur für Waldökologie der ETH, zeigen anhand von verschiedenen Modellen auf, dass der globale Wandel die Land-, Forst- und die Wasserwirtschaft sowie den Tourismus in verschiedenen europäischen Regionen vor Probleme stellen wird. Die Ursachen sehen sie im Klimawandel und einer sich ändernden Landnutzung. Für die Menschen heisst dies: weniger zuverlässige Dienstleistungen von Mutter Natur in Form von Nahrung, Wasser und Erholung.

Wassermangel am Mittelmeer

So haben die Forscher berechnet, dass der Klimawandel den Wassermangel in den mediterranen Gebieten verschärfen wird. Im Jahr 2080 dürften weitere 14 bis 38 Prozent der dort ansässigen Bevölkerung darunter leiden. Eine Belastung für sie wird der steigende Wasserverbrauch in Landwirtschaft und Tourismus sein. Weiter erwarten die Wissenschaftler, dass sich vor allem im Mittelmeergebiet, aber auch in den zentralalpinen Tälern die Waldbrandgefahr vergrössern wird und dass Trockenzeiten häufiger werden und länger dauern.

Genug Schnee erst ab 1700 Meter

Höhere Temperaturen lassen in den Alpen die Grenze für sichere Schneeverhältnisse steigen. Bugmann und Zierl gehen in ihrem Modell davon aus, dass bis zum Ende dieses Jahrhunderts erst ab 1500 Meter, im schlimmsten Fall sogar ab 1700 Meter, mit einer für Wintersport genügenden Schneedecke zu rechnen ist. „Eine Erhöhung der Schneesicherheit um 300 bis 400 Meter wird dazu führen, dass zusätzliche 20 bis 25 Prozent der Skigebiete wirtschaftliche Probleme bekommen“, sagt Bugmann. Bereits heute taugen Lagen unterhalb von 1300 Metern – jedes siebte Schweizer Skigebiet - nicht mehr dazu, Skitourismus rentabel zu betreiben.

Der Schneemangel wird allerdings nicht nur zum Problem der Skigebiete. Der Klimawandel, so folgern die Forscher, dürfte einen der verletzlichsten Prozesse der alpinen Regionen empfindlich treffen: das zeitweise Speichern des Wassers in Form von Eis und Schnee. Eine Folge wäre eine starke Veränderung des Abfluss-Regimes. Der Schnee wird früher abschmelzen und dadurch die Hochwassergefahr von Mai/Juni um bis zu zwei Monaten vorverschieben. Winter-Hochwasser werden häufiger, weil mehr Niederschlag als Regen fällt.

Der Sommer-Abfluss dürfte jedoch sinken, und in trockenen Teilen des Gebirgsvorlandes könnten die Flüsse gar austrocknen. Das führt zum Beispiel zu Engpässen bei der Bewässerung von landwirtschaftlichen Kulturen. „Heute stammt die Hälfte des sommerlichen Wasserabflusses in Holland aus den Alpen“, verdeutlicht der ETH-Professor die Bedeutung der Alpen als Wasserfänger und -speicher.

Zuerst Senke, dann Quelle

Die Studie bestätigt auch, dass europäische Ökosysteme derzeit grosse Mengen an CO2 binden. Das gilt auch für Gebirgsökosysteme, wie Bugmann und Zierl aufzeigen. Bergwälder werden auch in den kommenden Jahrzehnten als CO2-Senken wirken, weil das wärmere Klima das Wachstum des Waldes begünstigt, besonders an der oberen Waldgrenze. Dadurch wird mehr Kohlendioxid gebunden als ausgestossen.


weitermehr

Zuerst Senke, in 50 Jahren Quelle für CO2: Berggebiete reagieren auf den Klimawandel besonders sensibel. (Bild: H. Bugmann / Professur für Waldökologie) gross

Ausserdem ändert sich die Landnutzung. Immer mehr „unrentable“ Landwirtschaftsflächen werden aufgegeben. Wald kommt auf, und das wiederum bindet CO2.

„Die Bäume wachsen aber nicht in den Himmel“, gibt Bugmann zu bedenken. Die Simulationen zeigen denn auch eine Sättigung der CO2-Aufnahme in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts. Konkret: Wälder und Böden werden in einigen Jahrzehnten mehr CO2 abgeben als sie speichern und sich von Senken in Kohlendioxid-Quellen wandeln.

Diese Kohlenstoff-Berechnungen sind jedoch mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Präzise quantitative Angaben zum Kohlenstoff-Kreislauf seien viel schwieriger zu machen als zum Wasserhaushalt, sagt Bugmann. Er ist aber überzeugt, dass sich die biogeochemischen Modelle durch Daten aus neuen Studien zum Kohlenstoffhaushalt von Ökosystemen verbessern liessen, zum Beispiel durch Studien wie jene, welche die Folgen des Hitzesommers 2003 auf die Kohlenstoff-Bilanz von Wald- und Grassland-Lebensräumen untersuchte. (2) Diese hat gezeigt, dass Europas Wälder und Wiesen unter dem Einfluss von Trockenheit und Hitze viel Kohlendioxid in die Atmosphäre abgegeben haben.

Harald Bugmann und Bärbel Zierl konzentrierten sich bei ihren Untersuchungen im Rahmen des ATEAM-Projekts auf die Ökosystem-Dienste der Gebirge. „Bergregionen sind deshalb so wichtig, weil sie das Wohlergehen der Menschheit wesentlich beeinflussen“, betont Bugmann. Gebirge nehmen ein Viertel der gesamten Landfläche der Erde ein, beherbergen 600 Millionen Menschen und haben eine sehr hohe Artenvielfalt. Ausserdem versorgen sie grosse Gebiete mit Wasser, speichern Kohlenstoff und sind wichtig für den Tourismus. Die in der Studie der ETH-Forscher ausgewählten fünf Fallbeispiele aus der Schweiz und Deutschland repräsentieren ungefähr die Hälfte des Alpenraums.

Interessen der Wirtschaft berücksichtigt

Neu an der ATEAM-Studie ist auch, dass Stakeholder aus Wirtschaft und Politik von Anfang miteinbezogen wurden und ihre Interessen und Sichtweisen in das Design der Forschungsarbeiten einfliessen lassen konnten. Die Studie stützt sich auf die neuen Szenarien der Klimaveränderung, basierend auf den Erkenntnissen des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Diese wurden für Europa auf die Regionen hinuntergebrochen und mit zugehörigen, konsistenen regionalen Szenarien der Landnnutzung verknüpft. Damit war es erstmals möglich, europaweit die Auswirkungen der beiden treibenden Kräfte des globalen Wandels auf die Landökosysteme zu untersuchen.


Fussnoten:
(1) Schröter, D, et al. (2005) Ecosystem Service Supply and Vulnerability to Global Change in Europe, Science 1126: www.sciencemag.org/cgi/rapidpdf/1115233v1.pdf
(2) s. ETH Life-Bericht "Wälder wurden Kohlendioxid-Quellen": www.ethlife.ethz.ch/articles/sciencelife/quellestattsenke.html



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!