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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 15.05.2001 06:00

Nach dem Festival Science et Cité
Vorhang zu - Fragen bleiben

Das Festival Science et Cité ist vorüber. Noch ist es zu früh, um Bilanz zu ziehen. Erste Erkenntnisse aber sind gewonnen. Die wichtigste: Wenn Forschung ihre Labors verlässt und nicht ins Dozieren verfällt, ist anregender Dialog möglich.

Von Norbert Staub

"Es ist wie beim Theater", hatte Uni-Programmkoordinatorin Miriam Dahme kurz vor Beginn des Festivals gesagt. "Der Regisseur weiss bis zum Ende nicht, ob das Publikum applaudieren wird". - Nun: das Happy End ist da: den verdienten Applaus haben die Organisatoren des Zürcher Festivals des Wissens bereits eingeheimst. Geschätzte 100'000 interessierte Besucherinnen und Besucher vom Dreikäsehoch bis zur Seniorin, zahlreiche gut, einige weniger gut besuchte Präsentationen, Podien und Vorträge; Dutzende vom Reden erschöpfter, aber zufriedender Forscherinnen und Forscher - alles in allem: neun Tage, die Zürich in einen umtriebigen Wissensmarktplatz verwandelten: das ist ein "Output", der sich sehen lassen kann.

Schwierige Kunst des "Abholens"

Die ausgelassene Zürcher Wissensparty täuscht darüber hinweg, dass "Science et Cité" eine schweizweite Angelegenheit war. - Und in anderen Universitätsstädten auf bedeutend leiseren Sohlen über die Bühne ging. In St. Gallen zum Beispiel gelang es nicht, die Bevölkerung "abzuholen". So geriet die Idee, den Fachhochschulunterricht für einmal in den Gassen der Altstadt abzuhalten, zur zwiespältigen Erfahrung. Viele Passanten blieben zwar verwundert stehen, konnten mit dem Gebotenen aber nichts anfangen - und gingen ihres Weges. Und die auf dem Rosenberg thronende Wirtschaftsuniversität landete mit einem "Instituts-Zmorge" einen regelrechten Flop: sie blieb auf den Gipfeli sitzen, wie das "St. Galler Tagblatt" schrieb - immerhin bereichert um die Erfahrung, dass der Stolz der Einheimischen auf ihre Uni (noch) nicht mit dem Willen korreliert, ihr Innenleben kennenzulernen.

eth haupthalle
Beherbergte mit der Uni den zweiten Teil des Anlasses: Hauptgebäude der ETH. gross

In Bern hingegen kam ein kleines, aber feines Festival zustande. Dort buhlten gut vierzig von Universitätsinstituten in der Stadt verteilte "Wissensinseln" um Aufmerksamkeit. Die sorgfältig gemachten, zum Teil skurrilen Präsentationen klärten auf über neueste Methoden im Umgang mit "Mord und Totschlag" (Rechtsmedizin Uni Bern/Stapo Zürich) oder darüber, "Was Fische uns erzählen" (grosses Aquarium der Fisch- und Wildtiermedizin).

in Basel wiederum war die Konzentration des Themas "Wissenschaft und Kultur, live" auf kulturelle Einrichtungen auch Ausdruck des Fehlens der eigentlichen Forschungs-Schwergewichte der Region: die Basler Chemieriesen Roche und Novartis hielten aus kaum nachvollziehbaren Gründen weitgehend Abstand von "Science et Cité": in der Basler Presse war daraufhin von "Dialogverweigerung" zu lesen.


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kind
Vermissten spezielle Angebote: Kinder am Zürcher Wissensfestival. gross

Vergessene Kinder

Nicht ausgesperrt, aber etwas vergessen mussten sich Kinder und Jugendliche auf dem Zürcher Wissensmarkt fühlten. Der Fernseher mit dem "Pingu"-Trickfilm, um welchen sich Vier- und Fünfjährige in der Wannerhalle scharten, war wohl nicht für sie gedacht, sondern diente der Demonstration von elektromagnetischer Strahlung. Und die jungen Vertreter einer erfolgreichen Spin-off-Firma, die einer zappligen Horde von Schülern in der ETH die Vorzüge des von ihr entwickelten Luftdrucksensors schildern mussten, waren nicht zu beneiden. "Nächstes Mal demonstrieren wir ihn anhand eines fliegenden Modell-Helikopters, das hält die Jungen bei der Stange", dämmert es den beiden ETH-Absolventen am Ende eines langen Tages.

Jane Muncke von der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (EAWAG), die im Zürcher Hauptbahnhof ein ökologisches "NoMix-WC" zeigte, plagten solche Sorgen nicht. "Das Echo war sehr gut", freut sich die Umweltwissenschaftlerin. Der Blick auf die gesellschaftlichen Bedürfnisse sei für ihre Arbeit entscheidend. "Uns sind im Gespräch einige neue Aspekte im Zusammenhang mit unserem Projekt aufgefallen". Vielfach seien die Gespräche auch in unerwartete Bereiche abgedriftet. "Eine Frau kam mit der Frage, mit welchem Farbanstrich sie einen Wasserspeicher für Duschwasser anstreichen sollte, damit das Wasser vom Sonnenlicht erwärmt würde", erzählt Jane Muncke.

Auch unbewältigte Probleme ansprechen

Wenn Forschung sich mit besten Absichten an breitere Schichten wendet, läuft sie Gefahr, vom angestrebten Dialog ins reine Dozieren zu verfallen. So geschehen im Zürcher Hauptbahnhof etwa beim an sich sehr publikumswirksamen "Gen-ABC". Die politischen und gesellschaftlichen Widerstände gegenüber dem Thema fielen beim farbenfrohen, suggestiven Genetik-Crash-Kurs des Nationalfonds unter den Tisch. Der ETH-Techniksoziologe Thomas Oegerli fordert diesbezüglich, die Wissenschaft müsse dezidiert auch mit den unbequemen Teilen der Gesellschaft in Dialog treten, etwa NGO's oder kritischen Journalisten. "Nur wer kritikfähig ist, ist auch lernfähig und in der Lage, die Befürchtungen und Widerstände gegen Wissenschaft und Technologie zu verstehen", so Oegerli.

Die Wissenschaft dürfe ruhig zeigen, "was sie kann", meint Thomas Oegerli weiter, "es wäre aber ein Zeichen der Redlichkeit, auch über die Schwierigkeiten zu berichten, mit denen sie konfrontiert ist." So könnte zum Beispiel der Frage nachgegangen werden, warum viele Formen von Krebs noch immer unheilbar sind oder warum die Kernfusion als Energieproduzent nicht funktioniert, obwohl man dies seit vielen Jahren verspricht. "Dies würde auch helfen, die Wissenschaft auf ein menschliches Mass zurechtzustutzen und überhöhte Erwartungen zu vermeiden."


Literaturhinweise:
Weitere Informationen zum Festival Science et Cité: www.wissensfestival-zh.ch/



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