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Rubrik: Tagesberichte |
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Zürcher Wissensfestival: Gedächtnis-Test unterstützt rechtzeitiges Erkennen von Alzheimer Gedächtnis: Gewaltiges Sparpotential |
Nach dem Ansturm auf die städtischen Krankenheime wird der stadtärztliche Gedächtnis-Test heute im Rahmen des Wissensfestivals im ETH-Hauptgebäude wiederholt. Die Alzheimer-Krankheit frühzeitig zu erkennen nützt allen: Dem Patienten, seinen Angehörigen, der Pharma-Industrie und den Krankenheimen, deren Pflegekosten sich um jährlich bis zu einer Milliarde reduzieren könnten. Der heutige Gratis-Gedächtnis-Test an der ETH dient auch dazu, zusätzliche Teilnehmer für eine Nationalfonds-Studie zu rekrutieren. "Alle haben Gedächtnisprobleme. Auch Sie haben schon mal etwas vergessen", begründet der Zürcher Stadtarzt Albert Wettstein das grosse Interesse an seinem "anonymen Gratis-Gedächtnis-Test". Beim letzten öffentlichen Test-Termin Mitte März begannen sich in den städtischen Krankenheimen schon eine Stunde vor Beginn die Gänge zu füllen. Später reichten die Warteschlangen bis auf die Strasse hinaus. Mangels Kapazitäten konnten nur 880 Senioren ihr Gedächtnis testen lassen. Viele verloren die Geduld und liessen sich auf den heutigen Testtermin an der ETH vertrösten.
Stürmen Senioren die ETH? Wird es heute zu einem ähnlichen Ansturm der testwilligen Senioren auf die ETH kommen? Wettstein jedenfalls erwartet einen erneuten Grossandrang, denn: "Die Senioren haben tagsüber genügend Zeit, um an die ETH zu kommen." Den eingeladenen Senioren wird empfohlen, die Wartezeit bis zum ausgeteilten Testtermin mit der Besichtigung des Wissensfestivals in der ETH-Haupthalle auf "gedächtnisstimulierende Art" zu verbringen. Testen lassen können sich auch die über 50-jährigen ETH-Angehörigen. Für jüngere Probanden existieren leider keine Vergleichszahlen. Da im Rahmen des normalen Alterungsprozesses die erreichten Resultate abnehmen, werden die Ergebnisse mit denjenigen von gleichaltrigen Gesunden verglichen. Wenn sich beispielsweise ein 60-jähriger Mann nach einer kurzen Ablenkung nur noch an sechs von zehn gelernten Worten erinnern kann, so wird er zur weiteren Abklärung an seinen Hausarzt verwiesen. 14% hatten Gedächtnisstörung Beim letzten Test im März mussten 14% der getesteten 880 Personen zur weiteren Abklärung an ihren Hausarzt verwiesen werden. 9% der Getesteten leiden an einer leichten und 6% sogar an einer ausgeprägten Gedächtnisstörung, die selbst dem Laien in einem Gespräch nicht unbemerkt bleiben dürfte. Doch Regula Schmid, die Leiterin der Memory-Klinik Entlisberg, warnt vor vorschneller Alzheimer-Panik: "Ein schlechtes Resultat im 15-minütigen Gedächtnis-Test ist noch keine gesicherte Alzheimer-Diagnose. Der Test misst ausschliesslich die Fähigkeit, zehn Wörter zu lernen." Für ältere Menschen sei es aber trotzdem sinnvoll, sich testen zu lassen, denn: "Eine verbale Lernstörung ist häufig das erste Symptom für Alzheimer."
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Ungenügende Früherkennung Wenn Alzheimer frühzeitig erkannt wird, kann der Gedächtnisverlust durch verschiedene Therapien verzögert werden. Alle Therapien sind umso wirksamer, je früher sie einsetzen. "Noch erkennen Hausärzte Alzheimer aber oft erst zu spät, wenn die Medikamente bereits nichts mehr nützen", bedauert Stadtarzt Wettstein. Kein Wunder also, dass die Pharma-Industrie an grossflächigen Tests der Bevölkerung interessiert ist, um ihre Produkte früher zum Patienten bringen zu können. Die Pharma-Konzerne Novartis, Pfizer und Janssen gehören denn auch zu den Sponsoren des Gedächtnis-Tests an der ETH und zur dahinter stehenden Nationalfonds-Studie. Im Milliardenmarkt für Alzheimer-Medikamente führt derzeit der amerikanische Pharma-Multi Pfizer dank seinem Enzym-Hemmer "Aricept" mit einem weltweiten Marktanteil von 89%.
Gewaltiges Sparpotential Die Alzheimer-Krankheit frühzeitig zu erkennen nützt allen Beteiligten: Dem Patienten, seinen Angehörigen, der Pharma-Industrie, den Krankenkassen und auch den städtischen Altersheimen. Frühzeitige medikamentöse Behandlung sowie eine Schulung der Angehörigen sollen ermöglichen, dass die Patienten rund 15 Monate länger zuhause leben können. Dies entlastet die städtischen Krankenheime und reduziert die Pflegekosten um rund 100'000 Franken pro Patient. Bei jährlich rund 10'000 neuen Demenzfällen geht das Sparpotential rein finanziell gesehen allein in der Schweiz in die Milliarden. Ein über fünf Jahre laufendes Forschungsprojekt untersucht nun erstmals die gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Angehörigen-Schulung. Die Kosten von über einer Million Franken tragen neben dem Nationalfonds und der Pharma-Industrie auch die Alzheimer-Stiftung und die Stadt Zürich. Einziges Problem: Für die Studie fehlen noch 200 teilnehmende Demenz-Patienten. "Ein Grund für die kleine Anzahl von Interessierten könnte neben der geringen Bekanntheit der Studie die noch ungenügende Demenz-Erkennung der Hausärzte sein", vermutet Stadtarzt Wettstein. Rekrutierung durch Test Der heutige Gratis-Gedächtnis-Test an der ETH dient darum unter anderem auch dazu, die noch fehlenden Patienten aufzuspüren. Wer unterdurchschnittlich abschneidet, wird auf die Studie hingewiesen. Die ersten Abklärungen sollen aber primär über den persönlichen Hausarzt laufen, um zuerst allfällig vorhandene Depressionen oder Alkoholprobleme als Ursache für die Gedächtnisschwäche auszuschliessen.
Den "anonymen Gratis-Gedächtnis-Test" finden Sie im Rahmen des Zürcher Wissensfestivals von heute Mittwoch ab 10:00 bis übermorgen Freitag im ETH-Hauptgebäude. Für alle, die aufgrund des erwarteten Ansturms nicht mehr getestet werden können, gibt es im Internet unter (2) einen Selbst-Test zur Beurteilung der geistigen Leistungsfähigkeit. |
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Literaturhinweise:
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