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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 24.10.2002 06:00

Michael Strasser zum zweiten Mal von Deck der "Joides Resolution"
Unerwartete Probleme und Barbecues

Bereits zum zweiten Mal meldet sich der Geologiestudent Michael Strasser von Bord der Joides Resolution. Er schildert das harte Forscherleben, wenn man auf undurchdringbare Schichten stösst, weiss aber auch vom Dolce Vita an Bord zu erzählen.

Von Michael Strasser

Seit mehr als 2 Wochen befindet sich das ODP Schiff JOIDES Resolution nun schon bei der ersten Bohrlokaliät (Site). In den vergangenen Tagen wurden über 200 Meter Gesteinsmaterial aus einer Tiefe von 370 bis 600 Meter unterhalb des Ozeanbodens zu Tage gefoerdert, beprobt und beschrieben, um den physikalischen und chemischen Charakter der ozeanischen Platte, welche vor der Küste Costa Rica unter die karibische Platte abtaucht (1) zu untersuchen. Unglücklicherweise konnten einige der formulierten Ziele für diese erste Site nicht erreicht werden, da die erwarteten Gesteinsformationen unerreicht blieben und sich stattdessen ein unerwartet mächtiges Intervall von intrusiven Gesteinen (siehe Kasten) aus zeitlichen Gründen als undurchdringbar erwiesen hat. Die Enttäuschung einiger Wissenschaflter, die ihre zukünftige wissenschafliche Arbeit auf Proben von Basementgesteinen (siehe Kasten) abgestüzt haben, ist für mich durchaus verständlich und drückt leider auch etwas auf die allgemeine Stimmung hier auf dem Schiff.

Planmässiger Start

Am Dienstag, 24. September hat alles wie geplant mit dem ersten Bohrkern an Deck angefangen (1). Ich war sehr gespannt und beobachtete erst mal das ganze Geschehen. Als Erstes wird der rund 9 Meter lange Kern in einzelne Sektionen von 1.5 Meter geschnitten und erste Proben für die chemischen Analysen des Porenwassers sowie für mikrobiologische Untersuchungen werden entnommen. Im nächsten Schritt werden mit einem Multi-Sensor-Track die physikalischen Parameter im Bohrkern gemessen. Anschliessend findet meiner Meinung nach der eindrücklichste Teil der ganzen Prozedur statt: Der Kern wird entlang seiner Längsachse in zwei Hälften aufgeschnitten, was einen ersten Blick auf das zu Tage geförderte Material ermöglicht. Es ist, als ob man ein bis dahin verborgenes Geschichtsbuch zum ersten Mal öffnet und darin neue Informationen über die Erdgeschichte nachlesen kann.

Wissenschaftliche Diskussion im Core Lab. Von links nach rechts: Peter Clift (Sedimentologe; USA), Michi Stasser (Sedimentologe/Student trainee; Schweiz), Burkhard Schramm (Petrologe;Deutschland), Paolo Vannucchi (Strukturgeologien; Italien), and Dawn Cardace (Sedimentologin; USA). Im Hintergrund ODP staff scientist Adam Klaus (USA) und ODP Curator, Paula Weiss, am "Sample-Tisch". gross

Geologische Geschichtsbuch

Hier beginnt dann auch meine Arbeit: Da die ersten vier Bohrkerne aus leicht verfestigten Sedimenten bestehen, die vor rund 16 Millionen Jahren am Ozeanboden abgelagert wurden, ist es Aufgabe der Sedimentolgen, die eine Hälfte des Bohrkernes zu beschreiben. Die andere Hälfte kommt auf den "Sample Tisch", wo Proben für weitere physikalische und chemische Analysen entnommen werden. Wenn Peter Clift (Sedimentologe, USA), Dawn Cardace (Sedimentologin, USA), Paola Vannucchi (Strukturgeologin, Italien) und ich die Kernbeschreibung abgeschlossen haben, bestimmt Toshio Hisamitsu (Paleomagnetiker, Japan) in einem nächsten Schritt die magnetische Orientierung der im Gesteinsmaterial fein verteilten magnetischen Mineralien, um daraus das relative Alter der Formationen herzuleiten (Magnetostratigraphie). Im letzten Schritt werden die Kerne fotografiert, bevor sie schliesslich im untersten Deck archiviert werden.


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Eine schöne Seite der Forschung: Barbecue bei Sonnenuntergang. gross

Zu mächtige Schicht

Wie erwartet, wurden in einer Tiefe von 400 mbsf (meter below sea floor) intrusive Gesteine erbohrt. Das Ziel für die erste Site bestand darin, diese Formation zu durchbohren und die Sedimente, welche darunter erwartet wurden, sowie das Basement der ozeanischen Krust zu erbohren (siehe Kasten), um deren Charakteristiken und somit den Einfluss auf die Subduktionszone zu studieren (1). Die intrusive Formation stellte sich als unerwartet mächtig heraus und nach einer Woche Bohrtätigkeit und mehr als 150 Meter zu Tage gefördeter kristalliner Gesteine wurde die Bohrtätigkeit hier beendet, damit genügend Zeit bleibt, um die weiteren wissenschaftlichen Ziele der Forschungsfahrt zu realisieren. Besonders die Petrologen an Bord (Burkhard Schramm, Deutschland und Valérie Chavagnac, UK), die Alterationsprozesse in der ozeanischen Kruste studieren wollten, sowie die Mikrobiologin Cara Santelli (USA), welche die Organismenvergesellschaftungen in den alterierten Basalten untersuchen wollte, waren sehr unglücklich über diese Entscheidung, da ihre geplanten Forschungsarbeiten nun gefährdet sind.

Fitness und Essen

Es gibt nicht sehr viele Moeglichkeiten auf dem Schiff um dem Alltag zu entfliehen und sich ein bisschen abzulenken. Die meisten Wissenschaftler suchen Abwechslung im "Gym", wo man sich den ganzen Frust auf einem Laufband, auf dem Fahrrad oder auf der Rudermaschine rausschwitzen kann. So kann es schon mal vorkommen, dass unser Staff Scientist Adam Klaus (USA) völlig glücklich im Labor erscheint und sagt, dass er heute schon zum zweiten Mal im Gym war. Abwechslung bringen auch die einmal pro Woche durchgeführten Notfall-Drills. Jeder der Schiffsbewohner muss, wenn das Alarmsignal ertönt, mit Schwimmweste und Helm bei den Rettungsbooten erscheinen. Wir sind uns nach jedem Drill einig, dass wir auf einen Ernstfall mit maximal 56 Personen in einem Rettungsboot doch lieber verzichten wollen - auch wenn, wie uns versichert wurde, die bereits eingepackten Vorräte für ein paar Wochen reichen sollen. Da geniessen wir doch viel lieber das sonntägliche Barbecue auf dem Vordeck bei Sonnenuntergang. Die lockere und gemütliche Stimmung trägt dazu bei, dass wir alle guter Laune bleiben, und wieder Motivation für die weiteren Sites tanken können.


Aufbau der ozeanischen Kruste und der Sedimentbedeckung der ozeanischen Platte offshore Costa Rica:
Die ozeanische Kruste wird von vulkanischen Gesteinen (Basalten), die am Mittelozeanischen Ruecken (East Pacific Rise) am Meeresboden ausfliessen, aufgebaut. Im Kontakt mit dem Meerwasser werden die Basalte alteriert, was in etwa mit einer Verwitterungsreaktion verglichen werden kann. Die vulkanischen Gesteine bilden dann die Unterlage (Basement) für die marinen Sedimente, die am Meeresboden abgelagert werden. Je weiter sich der Ablagerungsraum als Folge der Auseinanderbewegung der ozeanischen Platte am mittelozeanischen Ruecken von diesem wegbewegt, umso maechtiger wird die Sedimentbedeckung. Die kristallinen Gesteine, die zwischen den marinen Sedimenten anzutreffen sind, werden als magmatische Intrusion, die im Zusammenhang mit dem Gallapagos Hot-Spot-Vulkanismus (analog zum Hawaii Hot-Spot-Vulkanismus) steht, interpretiert.


Die wissenschaftlichen Berichte über die ersten Erkenntnisse der ersten Site sind geschrieben, die letzten technischen Arbeiten wurden abgeschlossen. Ich hoffe, ich kann in zwei Wochen berichten, dass uns das Glück bei der zweiten Site, wo die Plattengrenze zwischen der Coccos und der Karbischen Platte erbohrt werden soll, wieder mehr zur Seite gestanden haben wird.


Fussnoten:
(1) Vergleiche "ETH Life"-Bericht ""First Core on Deck": www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/strasser1.html



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