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Rubrik: Tagesberichte |
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Mobilität und zukunftsfähige Stadtentwicklung: Fallstudie zur Freizeit in Basel Fahren für die Freizeit |
Studentinnen und Studenten der Umweltnaturwissenschaften haben seit Oktober 2003 im Rahmen einer Fallstudie die Freizeitmobilität Basels unter die Lupe genommen. Vergangene Woche haben sie im „Blauen Haus“ des Basler Justizdepartements die Resultate präsentiert. Fazit: Der heutige Zustand wird als sehr gut bewertet. Mehr Ökologie wird von der Bevölkerung gewünscht. Von Michael Breu Basel, die Stadt am Rheinknie, steckt in Euphorie. Die drey scheenschte Dääg (1.-3. März) rücken in greifbare Nähe, die letzten Proben der Drummler und Pfyffer sind bis auf die Schneidergasse zu hören, im „Gifthüttli“ wird am Stammtisch über die noch nicht begonnene Fasnacht heftig debattiert, und auf der Strasse werden Plagetten verkauft. So ist es schon fast ein Wunder, dass sich das Kellergewölbe im „Blauen Haus“ am Rheinsprung bis auf den letzten Platz füllt. Mehr als 150 Personen versammeln sich, um Resultate zu hören, Resultate aus einer Fallstudie, welche die Freizeitmobilität der Baslerinnen und Basler unter die Lupe genommen hat (1). Verantwortlich für die Untersuchung sind 53 Studentinnen und Studenten der Umweltnaturwissenschaften der ETH Zürich, begleitet von sieben Tutoren, von ETH-Professor Roland Scholz und von Maria Lezzi, Leiterin der Hauptabteilung Planung im Basler Hochbauamt. Insgesamt 18'000 Stunden haben die Studierenden investiert, 5’400 Stunden die Tutoren. Weiter haben 130 Baslerinnen und Basler sich Zeit genommen, Fragebögen auszufüllen und Tagebuch zu führen. Herausgekommen sind Resultate, die Basel gut charakterisieren. Zufrieden mit dem Ist-Zustand Der heutige Zustand im Bereich Freizeit und Mobilität – Basel kennt schweizweit am meisten Tempo 30-Zonen und ist mit dem öffentlichen Verkehr gut erschlossen – hat in fast allen Bewertungen sehr gut abgeschnitten. Dennoch sehen die Basler Bedarf für Verbesserungen. So könnten sie sich vorstellen, in wenigen, ausgesuchten Quartieren ein gut erreichbares und attraktives Freizeitangebot zu realisieren. Ebenso wird von der Bevölkerung mehr Ökologie gewünscht. Auf Zustimmung stösst auch das Projekt „2000 Watt-Gesellschaft“, welches im Rahmen von „Novatlantis – Nachhaltigkeit im ETH-Bereich“ (2) auf dem Areal der Deutschen Bahn in Kleinbasel, auf dem Industriebrachen-Areal der Firma Sulzer Burckhardt im Gundeldinger-Quartier und zusammen mit dem Verein Pro Volta geprüft wird. „Die Fallstudie bestätigt, dass Basel kein akutes Problem mit der Freizeitmobilität hat“, sagt Maria Lezzi.
Untersucht haben die Studentinnen und Studenten vier Quartiertypen: - die Altstadt mit ihrer hohen Bevölkerungsdichte, dem Knotenpunkt des öffentlichen Verkehrs und den Fussgängerzonen, - der Quartiertyp „Breite“ mit seiner „innerstädtischen Durchmischung“, mit vielen Familien und Personen über 50 Jahren, - das Arbeiterquartier „Matthäus“ mit seiner dichten Besiedelung und vielen jungen Bewohnern, - und das Quartier „Bruderholz“, wo vorwiegend ältere, wohlhabende Menschen leben. Gleichzeitig hat eine fünfte Gruppe einen Metafokus auf die ganze Stadt gelegt und drei Szenarien für das Jahr 2028 entworfen.
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Analysiert wurden die Daten mit einer eigens für Fallstudien entwickelten Methode, welche auf der so genannten „Multi-attribute utility theory“ beruht. „Der Fokus wurde bewusst auf die Freizeitmobilität gelegt, weil sie für einen grossen Teil des Verkehrs verantwortlich ist“, sagt Maria Lezzi, und Roland Scholz ergänzt: „Der motorisierte Individualverkehr stellt denjenigen Bereich der Mobilität dar, in dem die höchsten Zuwachraten zu verzeichnen sind.“ Wenn man das Datenmaterial für Basel-Stadt betrachte, dann falle auf, dass der Freizeitverkehr mit 47 Prozent den grössten Anteil der Mobilität einnehme, gefolgt vom Pendlerverkehr mit 27 Prozent, dem Nutzverkehr mit 15 Prozent und dem Einkaufsverkehr mit 11 Prozent (Datenbasis: 1991). Deshalb könne bei einer Reduktion der Freizeitmobilität der Energieverbrauch am effizientesten gesenkt werden. Dennoch müsse man beachten, dass Basel-Stadt bereits heute vergleichsweise eine nachhaltige Freizeitmobilität aufweise. Lebensstil als "Schlüssel zur Nachhaltigkeit" Interessant an den Resultaten ist, dass der Lebensstil der Befragten mitentscheidend ist, welches Szenario für die Zukunft gewählt wird. Grundsätzlich wird in Basel der Auto fahrende Freizeitler negativer beurteilt als die aktive, Velo fahrende Person. Der Lebensstil gilt denn auch „als Schlüssel zur Nachhaltigkeit“, wie eine Gruppe Studierender betont. Die zusammengetragenen Daten sollen nun detailliert analysiert werden, sagt Maria Lezzi, und die Basler Regierungsrätin Barbara Schneider ergänzt: „Die Ergebnisse sind relevant für die Planung und werden in die Revision des Richt- und Zonenplans einfliessen“. In einem weiteren Schritt, so Roland Scholz, wird nun die Dokumentation verfeinert und ab 1. April ins Internet gestellt (1). Bis Herbst 2004 soll dann der gedruckte Bericht vorliegen und der Basler Regierung am 21. Oktober übergeben werden. Basel seinerseits prüfe, ob eine zweite Untersuchung durchgeführt werden soll, in der die Resultate vertieft würden.
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Fussnoten:
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