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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 09.06.2004 06:00

Wissenschaft kontrovers zum Thema "Ethik"
Ethik braucht Spezialisten

Ist Ethik ein Auftrag an Spezialisten oder Verantwortung aller? Diese Frage stellten sich die Teilnehmer an der „Wissenschaft kontrovers“-Veranstaltung vom letzten Montag. Niemand erachtete die Gegenüberstellung im Sinn eines Ausschlusses als sinnvoll, doch gingen die Meinungen über den Beitrag der Spezialisten auseinander. Ein weiterer kontroverser Punkt: der Begriff der Objektivität. In der Diskussion wurde offensichtlich, dass unter „Ethik“ mehr verstanden wird, als die Lehre von Wertfindung und -begründung.

Von Christoph Meier

Die Veranstaltungsreihe „Wissenschaft kontrovers“ steht kurz vor dem Abschluss. Und wie so oft, wenn ein Ende naht, stellt man sich gerne die Frage nach dem Sinn oder dem Wert. Konkret hiess das dann: eine Diskussionsabend zum Thema "Ethik", etwas spezifischer noch, wie weit Ethik ein Auftrag an Spezialisten oder Verantwortung aller sei. Schnell war klar, dass niemand die Frage als glücklich gestellt erachtete.

Spezialwissen ist gefragt

Michael Hampe, ETH-Professor für Philosophie, vertrat die Ansicht, dass es eine Individualverantwortung, die sich in Sätzen wie „du sollst nicht lügen“ ausdrücke, gebe. Doch es träten auch Probleme auf, wo Spezialistenwissen nötig ist für verantwortungsvolles Handeln, beispielsweise bei Atomkraftwerken. Explizit für die Berufung von Ethik-Spezialisten plädierte Susanne Boshammer, Oberassistentin an der Arbeits- und Forschungsstelle für Ethik der Universität Zürich. Denn komplizierte Fragen bräuchten Zeit und Erfahrung und im Gegensatz zu Politikern seien Ethiker handlungs-entlastet.

Ethik sei etwas für „Philosophen, Mullahs oder Gurus“ befand der ETH-Physikprofessor Jürg Fröhlich. Auch wenn er mehrmals darauf hinwies, dass ihm die Zeit für eine angemessene Ausführung fehle, erfuhr man von Fröhlich, dass er die Beschäftigung mit ethischen Problemen als dringlich erachtet, vor allem auch in Anbetracht jener Wissenschaftler, die für ihn eher Goethes Zauberlehrling gleichen als dessen Meister. Zudem sei die Verantwortung der Wissenschaftler durch die zunehmende Ökonomisierung und das Problematisieren von Intellektuellen gefährdet, sagte der Physiker.

Die Gesellschaft soll sich Ethikspezialisten leisten, meint Susanne Boshammer.

Ganz konkret auf die Verantwortung des Wissenschaftlers als eines Spezialisten ging Sarah Springman ein, ETH-Professorin für Geotechnik. Wenn sie einen Damm baue, trage sie auch die Verantwortung. Da sei die Situation klar schwarz-weiss. Im normalen Leben komme es aber sicher zu Situationen, wo Grauzonen vorhanden seien. Spezialisten und die indivduelle Verantwortung kommen für Springman im Sport zusammen. Jene müssen Regeln festlegen und die Sportler sich fair verhalten.


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Fragte sich, woher verantwortliches Handeln kommen soll: ETH-Physiker Jürg Fröhlich.

Skepsis gegenüber Ethikkommissionen

Die Basler Historikerin Regina Wecker, die als Zwischenruferin an der Veranstaltung fungierte, kam wieder auf die Ethikspezialisten zurück. Vor allem zeigte sie sich erstaunt, dass im Auditorium niemand die Rolle der Ethikkommissionen problematisiert hatte. Dabei „unterstelle“ sie diesen, dass sie vor allem da seien, um das Problembewusstsein zu demonstrieren. Zudem würden sie erst zur Schadensbegrenzung eingesetzt. Unwidersprochen blieben diese Aussagen nicht, obwohl ihnen Jürg Fröhlich mit seinen Ausführungen teilweise sekundierte. So wurde darauf hingewiesen, dass bei der Gesetzgebung Ethikkommissionen zum Einsatz kämen, was manchmal zu Regelungen führe, die nicht alleine auf rein ökonomischen Überlegungen basieren. Jemand bemerkte, dass ihm die Ethiker wie McKinsey vorkommen: teure Ratgeber ohne Verantwortung.

Objektive Ethik?

Kontrovers war auch die Diskussion über die Rolle der Objektivität. Einige Votanten billigten diese nur den Naturwissenschaften zu. Entsprechend forderten sie auch mehr naturwissenschaftliche Lösungen. Susanne Boshammer hielt dem entgegen, sie erlebe die Ingenieure nicht so, dass sie mehr Fakten und keine Normen bräuchten. Dabei erhielt sie Unterstützung von einer Votantin, die aufgrund ihrer Erfahrung mit einem Nachdiplomkurs einen klaren Bedarf bei Ingenieuren an ethischen Überlegungen feststellte.

Michael Hampe hielt fest: Der Ort, wo Ethik fassbar beziehungsweise objektiv wird, ist der öffentliche Raum. Gleichzeitig gab er zu bedenken, dass es keine verbindliche Methode zur Herstellung einer praktischen Ethik gebe. Wieder ein anderer Punkt einer Teilnehmerin zur Objektivität war, dass diese in der Wissenschaft nur in Relationen zu finden sei, und darum auch der Ethik zukomme. Trotz allen Diskussionen war man sich aber einig, dass Ethik einen Geltungsanspruch haben muss, der über das Individuum hinausgeht.

Keine logischen Gründe, etwas zu wollen

Wer an diesem Abend Konkreteres erwartet hatte, etwa eine Diskussion über Werte wie Transparenz in der Wissenschaft, wurde enttäuscht. Dies obwohl einige Teilnehmer unter dem Begriff Ethik mehr verstanden als nur die Disziplin, die sich mit der Wertentstehung und –begründung befasst. Doch auch bei grundsätzlichen Überlegungen kam man nicht zu weitergehenden Erörterungen. Dabei wäre es vielleicht fruchtbar gewesen, hätte man sich beispielsweise mehr dem durch Jürg Fröhlich aufgeworfenen Problem gewidmet. Der Physiker verwies nämlich auf ein sicher besonders auch für im wissenschaftlichen Denken geschulte Personen wichtiges Dilemma bei Ethikdiskussionen: Ethik befasst sich mit dem, was wir sollen beziehungsweise sollen. Es gibt aber keine logischen Gründe, etwas zu wollen.


Literaturhinweise:
Wissenschaft kontrovers: www.kontrovers.ethz.ch/



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