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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 19.11.2003 06:00

"Wissenschaft kontrovers" zu Geist und Geld
Geld soll weiter bilden

Für die Mehrheit ist die staatliche Förderung der Forschung eine Notwendigkeit und kein Luxus. Diesen Eindruck erhielt man letzten Montag am zweiten Abend der Veranstaltungsreihe „Wissenschaft kontrovers“, der sich mit der Rolle der öffentlichen Hand als Geldquelle des Wissens befasste.

Von Christoph Meier

Geld bildet nicht. Diese Auffassung vertrat Urs Paul Engeler, Bundeshausredaktor der „Weltwoche“, nicht nur in einem Artikel (1), sondern auch am Montagabend bei der zweiten Veranstaltung von „Wissenschaft kontrovers“ (2), die um das Thema „Geld und Geist, Luxus oder Notwendigkeit“ kreiste. Die Ausführungen von Engeler glichen einer Sektion der staatlichen Bildungsförderung mit dem Zweihänder. So behauptete der Journalist, dass die grössten Erfindungen nicht aufgrund staatlicher Förderung zustande gekommen sind. Beispiele dafür erwähnte er keine. Zu diesen griff er erst, um mit dem ehemaligen KV-Lehrling Marcel Ospel zu „beweisen“, dass der Wert eines Hochschulstudiums überschätzt wird, oder dass trotz der anscheinend massenweise ausgebildeten Geologen die Neat am Gotthard stecken geblieben ist. Engeler bezweifelte aber nicht nur den Nutzen staatlicher Forschungsförderung, sondern er sah in den enttäuschenden Ergebnissen der Pisa-Studie für die Schweiz sogar ein Indiz dafür, dass Geld träge macht.

Historische Einbettung

Mit diesen Auffassungen stand der Journalist aber ziemlich alleine da. Francis Waldvogel, ETH-Ratspräsident, ging in seinem Kurzreferat zu Beginn der Veranstaltung bis hin zu Gaius Maecenas – dem Namensgeber des Mäzenatentums – zurück, um Zeugen für den Nutzen der Forschungsförderung zu finden. Für Waldvogel ist klar, dass die staatliche Unterstützung eine Notwendigkeit ist, wenn auch neue Finanzierungsmöglichkeiten gesucht werden müssen. Interessant war die Anmerkung des ETH-Ratspräsidenten, dass die heutige Evaluation von Forschern zu sehr auf quantitativen Kriterien beruht und nicht auf qualitativen. Für die Zukunft fordert er darum neue Evaluationsparameter, in die auch ethische Überlegungen einfliessen sollten. Denn nicht alles was erforscht werden kann, sei auch erforschungswürdig.

Einen Exkurs in die Geschichte machte auch Olaf Kübler, Präsident der ETH Zürich. Die Frage der Finanzierung der Forschung stelle sich, seit die Philosophen die Tonne verlassen hätten. Für die Gegenwart beurteilt Kübler das Paradigma der öffentlichen Förderung als unangefochten. Da Unternehmen heute nur noch eine kurz- oder mittelfristige Perspektive hätten, müsse der Staat längerfristige Forschungsprojekte unterstützen. Der Präsident sieht aber auch die Zunahme in der tertiären Ausbildung, die zu einem grösseren Wettbewerb führen wird. Darum gelte es, die Mittel zu fokussieren, wobei über die Kriterien der Zuweisung noch diskutiert werden müsse.

Dass der Nutzen einer Forschungsförderung im Voraus nicht einfach zu bestimmen ist, illustrierte die ETH-Teilchenphysikerin Felicitas Pauss anhand des CERN.


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Gehört auch zu "Wissenschaft kontrovers": der Austausch beim Apéro. gross

Obwohl an dieser Forschungsstätte fundamentale Fragen zum Beispiel nach den Grundbausteinen der Materie untersucht werden, habe es doch manchen „industrial return“ gegeben. Die für diese Forschung benötigten innovativen Technologien wurden unter anderem wichtig für die Krebstherapie. In Bezug auf die staatliche Forschungsfinanzierung wies die Teilchenphysikerin darauf hin, dass die Öffentlichkeit nicht nur am ökonomischen Nutzen der Forschung interessiert sei, sondern die Faszination für grundlegende Fragestellungen durchaus teile.

Wenig kontrovers

Nach diesen divergierenden Stellungsnahmen schien es, dass es für den Moderator Gerd Folkers ein Leichtes sein werde, die Diskussion nach der Pause in Gang zu bringen. Doch der Schein trügte. Die Besuchenden des Abends, unter denen sich doch einige Studierende befanden, brachten wohl noch einige interessante Meinungen vor, doch gegenseitiges direktes Hinterfragen blieb die Ausnahme. Auch das Votum von Andreas Hüsler, des studentischen Advocatus diaboli an diesem Abend, provozierte keine direkten Stellungsnahmen. Selbst Urs Paul Engeler zeigte kaum mehr Lust, seine Standpunkte zu präzisieren oder auszuführen. Seine Aussagen, dass die Ökonomisierung der Wissenschaft nicht seine Erfindung sei, war überraschend zahm.

Kriterien sind offen

Das Ausbleiben der echten Kontroverse hatte auch einen Vorteil: Die Teilnehmenden verfielen nicht in eine Abwehrhaltung, in der sie einander nicht mehr zuhören. Die meisten Voten zeigten, dass staatliches Forschungsgeld als notwendig oder zumindest wünschenswert eingeschätzt wird. Zudem erwähnten einige auch den nicht ökonomisch messbaren Nutzen der Wissenschaft, oder stellten die Wirtschaftlichkeit als ultimatives Kriterium in Frage. Doch für eine spezifische Auseinandersetzung, nach welchen Kriterien bei beschränkten Ressourcen die Verteilung stattfinden sollte, blieb trotz anwesender Entscheidungsträger kein Platz mehr. Spannend war sicher der Hinweis von Olaf Kübler, dass in einer Gesellschaft, in der eine „Winner take all“-Mentalität dominiert, eine Förderungsreduktion fatale Konsequenzen haben könnte. Der ETH-Präsident sieht im Moment auch keinen Ersatz zur staatlichen Unterstützung. Falls es den aber mal geben wird, dann wird sich dieser schnell durchsetzen, glaubt Kübler.


Fussnoten:
(1) Geld bildet nicht: www.weltwoche.ch/ressort_bericht.asp?asset_id=5233&category_id=60
(2) Wissenschaft kontrovers: www.kontrovers.ethz.ch/



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