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ETHistory: Vernissage in den „Welten des Wissens“ Vernetzte ETH-Geschichte |
(nst) Ein „aufregendes Projekt bis zur letzten Minute“ sei sie gewesen, die virtuelle, im Rahmen des ETH-Jubiläums realisierte Ausstellung „ETHistory“ des ETH-Instituts für Geschichte, sagte David Gugerli, Professor für Technikgeschichte und Lenker und Hüter des Projekts an dessen Vernissage am Montag auf der Bühne beim Landesmuseum. Nach dreijähriger Entwicklungszeit wurde die Website Anfang April aufgeschaltet. Gugerlis Bemerkung bezog sich einerseits auf den Teufel, der im technischen Detail steckt und den Beginn der Veranstaltung hinauszögerte. Aber sie bezog sich vor allem auf das für eine geschichtwissenschaftliche Publikation ungewöhnliche und experimentelle Konzept, Web-Technologie in all ihren zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszureizen und Texte, Bilder, Videos, Datenbankmaterial und Animationen anzubieten sowie das Ganze mit einer breit verteilten Autorschaft zu verfassen (die Rede war von um die 40 Mitarbeitenden).
Keine Identitätsbildung Wenn Abstand vom Medium Buch genommen wird, eröffnen sich neben der herkömmlichen Rezeptionsweise „Lesen“ auch ganz neue Nutzungsmetaphern: so war an der Präsentation des Opus von einer „Fragemaschine“ die Rede, von einer „Dokumentationsanlage“, von Verfremdungseffekten, Überraschung und Interaktivität. Das alles kann aber nicht Selbstzweck sein. Für David Gugerli liegt ein Hauptzweck solcher Historiographie in der Abstandnahme von der trügerischen Tendenz zur Identitätsbildung, zu welcher Geschichtsschreibung gern instrumentalisiert wird. Die Ausstellung erfreut sich mit 600 und 1000 Besuchenden pro Tag übrigens regen Zuspruchs. Langfristig, so hofft der Historiker, werde sich „ETHistory“ zum Referenz- und Nachschlagewerk mausern.
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Als eine Art Referenz-User wurde Jakob Tanner verpflichtet, Professor für Geschichte an der Universität Zürich. Tanner attestierte dem Projekt höchste wissenschaftliche Seriosität. Überzeugt habe ihn, wie hier die 150 Jahre ETH wo immer möglich durch die Augen von Akteuren gesehen werden. Besonders spannend werde es dort, wo wichtige Zeitzeugen schildern, wie sich für sie in wichtigen Phasen der ETH-Geschichte (etwa bei der späten Einführung der Informatik als Studiengang) die Lage dargestellt hat – und wie ihre Entscheidungen zustande gekommen seien. Was Tanner dabei etwas fehlt, sei das „Unterholz“ der ETH-Geschichte: also die Sicht der akademischen Versager, der Studienabbrecher oder der unscheinbaren Angestellten, die zur Entwicklung der erfolgsverwöhnten Institution sicher ihre aufschlussreichen Randbemerkungen anzufügen hätten. Mord am Buch? Zum Abschluss brachte Jakob Tanner – obwohl vom „look and feel“ von ETHistory begeistert – eine medienkritische Überlegung ins Spiel. Der „niederschmetternde Impact-Faktor des Mediums Buch“ lasse (Geschichts-) Wissenschaftler zwar über die Berechtigung eines „Mords des Internets am Buch“ sinnieren; ganz im Sinn von Victor Hugo, der 1832 die These aufstellte, dass Bücher die Architektur als Spiegel und Medien der menschlichen Erkenntnis endgültig abgelöst hätten. Ob jedoch die Zukunft dem Internet gehört, sei nicht ausgemacht. Der Historiker plädierte vielmehr für ein Zusammenspiel der Medien aus unterschiedlichen Epochen in der Annahme, dass einem am Ende „aus Bastarden Energie“ zufliesse, wie Marshall McLuhan einmal schrieb.
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